Das Echo der Traeume
Bekannten, die irgendwie miteinander zu tun haben … Deshalb dachte ich, ich versuche es erst einmal mit ein paar Freunden von mir hier in Tanger – Oberst Hal Durand, General Norman Beynon und seiner Frau Mary –, sie haben alle exzellente Kontakte zum Foreign Office. Im Moment halten sie sich alle in London auf, doch ich habe vor, mich demnächst einmal mit ihnen zu treffen und ihnen Juan Luis vorzustellen. Und ich will darauf hinwirken, dass sie miteinander reden und sich gut vertragen.«
» Und glaubst du, dass er da mitmacht, dass er dich ohne Weiteres bei seinen offiziellen Angelegenheiten mitmischen lässt?«
» But of course, dear, natürlich«, bekräftigte sie vollkommen überzeugt und wischte sich mit einer anmutigen Bewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr über das linke Auge hing. » Juan Luis ist ein schrecklich intelligenter Mensch. Er kennt die Deutschen sehr gut, er hat viele Jahre bei ihnen gelebt und fürchtet, dass Spanien für all die Unterstützung, die es von dort bekommt, auf lange Sicht einen zu hohen Preis wird zahlen müssen. Außerdem hält er sehr viel von den Engländern, weil wir noch nie einen Krieg verloren haben, und er ist, after all, ein Militär, und solche Dinge sind ihm sehr wichtig. Und vor allem, my dear Sira – Juan Luis betet mich an, und das ist die Hauptsache. Er selbst sagt es jeden Tag: Für seine Rosalinda würde er sogar in die Hölle hinabsteigen.«
Als wir uns anschickten zu gehen, waren die Tische auf der Terrasse schon zum Abendessen gedeckt, und die Schatten kletterten bereits an den Gartenmauern empor. Rosalinda beharrte darauf, das Essen zu bezahlen.
» Endlich habe ich meinen Mann so weit, dass er mir meinen Unterhalt überweist. Lass mich dich einladen, bitte.«
Ohne Eile gingen wir zu ihrem Auto und machten uns auf den Rückweg nach Tetuán. Wir bewegten uns fast noch innerhalb der zwölf Stunden, die mir comisario Vázquez zugestanden hatte. Doch nicht nur unsere Fahrtroute verlief nun umgekehrt, auch unsere Kommunikation. Bei der Hinfahrt und den Rest des Tages hatte Rosalinda das Gespräch praktisch allein bestritten, und nun war es offenbar Zeit für einen Rollentausch.
» Du musst mich für unglaublich egozentrisch halten, dass ich ständig nur von meinen Sachen rede. Erzähl mir doch von dir. Tell me now, sag, wie ist es dir heute Vormittag mit deinen Angelegenheiten gegangen?«
» Schlecht«, erwiderte ich kurz und bündig.
» Schlecht?«
» Ja, schlecht, sehr schlecht.«
» I’m sorry, really. Das tut mir leid. Etwas Wichtiges?«
Nein, hätte ich sagen können. Verglichen mit den Dingen, die sie beschäftigten, mangelte es meinen Problemen an den nötigen Zutaten, um ihr Interesse zu wecken: Es waren weder hochrangige Militärs noch Konsuln oder Minister darin verwickelt. Es ging nicht um politische Interessen, nicht um Fragen der Staatsräson oder die Vorzeichen für einen neuen großen Krieg in Europa und nicht im Entferntesten um so verwickelte Beziehungen wie die, in die sie verstrickt war. Meine bescheidenen kleinen Sorgen ließen sich an einer Hand abzählen: ein gebrochenes Herz, ein Berg Schulden und ein Hoteldirektor, der wenig Verständnis zeigte; die tagtägliche Arbeit, um mein Geschäft aufzubauen; ein Heimatland, das im Blut ertrank und in das ich nicht zurückkehren konnte; und die Sehnsucht nach meiner Mutter, die so weit weg von mir war. Nein, hätte ich sagen können, meine kleinen Tragödien waren nicht weiter wichtig. Ich hätte meine Probleme für mich behalten, sie nur mit der Dunkelheit meiner leeren Wohnung teilen können. Das hätte ich tun können, ja. Doch ich tat es nicht.
» Für mich persönlich war es sehr wichtig. Ich möchte meine Mutter aus Madrid und zu mir nach Marokko holen, aber dafür brauche ich eine erhebliche Summe Geld, die ich nicht habe, weil ich meine Ersparnisse zuerst für andere dringende Zahlungen benötige. Heute Morgen habe ich versucht, einen Zahlungsaufschub zu erreichen, aber es ist mir nicht gelungen. Deshalb werde ich nichts für meine Mutter tun können, fürchte ich. Und das Schlimmste ist, dass es anscheinend immer schwieriger wird, von einer Zone in die andere zu gelangen.«
» Lebt sie allein?«, fragte Rosalinda mit besorgter Miene.
» Ja, sie ist allein, vollkommen allein, sie hat nur mich.«
» Und dein Vater?«
» Mein Vater … na ja, das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls leben sie nicht zusammen.«
» Das tut mir schrecklich leid, Sira, meine
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