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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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auch bereits die nächste Frage parat. Ich erwies mich als gelehrige Schülerin von comisario Vázquez, was die Fragetechnik betraf.
    » In welche Häfen bringt er die Flüchtlinge?«
    » Nach Valencia, Alicante oder Dénia, kommt darauf an. Er prüft die Lage, überlegt sich vorher eine mögliche Reiseroute, und am Ende schafft er es irgendwie immer, seine Fracht auf irgendeinem Schiff unterzubringen.«
    » Aber haben diese Menschen denn Papiere, Genehmigungen, Passierscheine …?«
    » Für Reisen innerhalb Spaniens normalerweise schon, für Auslandsreisen wahrscheinlich nicht. Deshalb ist die Phase der Einschiffung in der Regel am schwierigsten: Lance muss Kontrollposten austricksen, sich an die Kais heranpirschen und ungesehen an den Wachen vorbeikommen, mit den Kapitänen der Schiffe verhandeln, die Flüchtlinge an Bord schmuggeln und sie für den Fall von Durchsuchungen gut verstecken. Und das alles muss mit großer Sorgfalt vonstattengehen, ohne Verdacht zu erregen. Es ist eine sehr heikle Sache, schließlich läuft er Gefahr, selbst im Gefängnis zu landen. Doch bis jetzt hat er jede Aktion erfolgreich über die Bühne gebracht.«
    Wir beendeten unser Essen. Da er den linken Arm in der Schlinge trug, hatte Logan mit dem Besteck etwas Mühe gehabt. Dennoch hatte er sein Hühnchen größtenteils vertilgt, zwei große Portionen Cremespeise als Nachtisch gegessen und mehrere Gläser Wein getrunken. Ich hingegen hatte, von seinen Erzählungen abgelenkt, meine Seezunge kaum angerührt und kein Dessert bestellt.
    » Möchten Sie Kaffee?«, fragte er.
    » Ja, danke.«
    Eigentlich trank ich niemals Kaffee nach dem Abendessen, außer ich musste bis spät in die Nacht arbeiten. Aber an diesem Abend hatte ich zwei gute Gründe, das Angebot anzunehmen: Zum einen wollte ich unsere Unterhaltung möglichst in die Länge ziehen, zum anderen möglichst munter bleiben, damit mir nicht das geringste Detail entging.
    » Erzählen Sie mir von Madrid«, bat ich ihn dann mit leiser Stimme. Vielleicht ahnte ich bereits, dass ich nichts Erfreuliches zu hören bekommen würde.
    Er schaute mich fest an, bevor er antwortete.
    » Sie wissen gar nichts, stimmt’s?«
    Ich senkte den Blick und schüttelte stumm den Kopf. Es hatte meine Anspannung gelockert, dass ich nun Genaueres über die Evakuierung meiner Mutter erfahren hatte, ich war nicht mehr nervös. Marcus Logan hatte es trotz seiner sichtbaren Beschwerden mit seiner ausgeglichenen und sicheren Art geschafft, mich zu beruhigen. Doch die Entspannung machte mich nicht fröhlicher, vielmehr löste das Gehörte eine tiefe Traurigkeit in mir aus. Trauer um meine Mutter, um Madrid, um mein ganzes Heimatland. Ich fühlte mich plötzlich ungeheuer kraftlos und spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
    » Es steht sehr schlecht um Madrid, die Grundnahrungsmittel werden knapp. Die Lage ist gar nicht gut, jeder sieht zu, dass er sich irgendwie durchschlägt«, gab er vage Auskunft. » Darf ich Sie auch etwas fragen?«, erkundigte er sich dann.
    » Was Sie möchten«, erwiderte ich, den Blick noch immer auf die Tischdecke geheftet. Die Zukunft meiner Mutter lag in seinen Händen – wie hätte ich ihm da diese Bitte abschlagen können?
    » Schauen Sie, meine Aufgabe als Mittelsmann ist erledigt, und ich kann Ihnen garantieren, dass man Ihrer Mutter wie versprochen helfen wird, machen Sie sich deshalb keine Sorgen.« Er sprach jetzt leiser, rückte ein Stück näher. » Allerdings musste ich, um ihre Evakuierung zu erreichen, meine Fantasie ein wenig bemühen, und ich weiß nicht, wie weit meine Geschichte der Realität entspricht. Ich musste sagen, dass sie äußerst gefährdet ist und dringend evakuiert werden muss, weitere Einzelheiten waren nicht notwendig. Aber ich würde gerne wissen, ob ich damit richtiglag oder ob ich gelogen habe. Ihre Antwort wird die Situation Ihrer Mutter in keiner Weise beeinflussen, sie interessiert nur mich persönlich. Erzählen Sie mir doch bitte, wenn es Ihnen nichts ausmacht, wie die Situation Ihrer Mutter tatsächlich ist. Glauben Sie, dass sie in Madrid wirklich in Gefahr ist?«
    Der Kellner kam mit unserem Kaffee, und wir begannen gleichzeitig umzurühren, die Löffelchen stießen im Takt gegen das Porzellan. Nach einer Weile hob ich den Blick und sah ihm offen ins Gesicht.
    » Wollen Sie die Wahrheit wissen? Nun, ich glaube nicht, dass sie in Lebensgefahr ist, aber ich bin das Einzige, was meine Mutter auf der Welt hat, und sie ist das Einzige, was

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