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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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welche Straßen er benutzt hatte und um welche Zeit er zurückkehrte. Ich wusste über jeden seiner Schritte an jenem, am folgenden und dem darauffolgenden Tag Bescheid. Ich erfuhr, was er aß, was er trank, welche Zeitungen er durchblätterte, und ich kannte auch die Farbe seiner Krawatten. Den ganzen Tag über war ich sehr mit meiner Arbeit beschäftigt, doch dank einiger diskreter Mitarbeiter war ich über alles bestens im Bilde. Jamila folgte ihm auf Schritt und Tritt. Für fünf Centimes unterrichtete mich ein Hotelpage ganz genau darüber, zu welchen Zeiten Logan das Hotel betrat oder verließ. Für zehn Centimes mehr erinnerte er sich auch noch an die Speisenfolge seiner Abendessen und daran, welche Wäsche er abends vor die Tür legte.
    Geduldig harrte ich drei Tage aus, in denen ich minutiös über jeden seiner Schritte informiert wurde und gleichzeitig darauf wartete, dass ich etwas über die Fortschritte zum Stand der Evakuierung erfuhr. Als ich am vierten noch immer nichts gehört hatte, begann ich schlecht von ihm zu denken. Je länger ich diesem Gedankenkarussell folgte, desto mehr kristallisierte sich in meinem Kopf ein ausgefeilter Plan heraus: Wenn Marcus Logan erst einmal sein Ziel erreicht, Beigbeder interviewt und alle für ihn wichtigen Informationen über das Protektorat beisammenhatte, würde er sicher einfach abreisen und darüber vergessen, dass er noch etwas für mich zu erledigen hatte. Um zu vermeiden, dass meine bösen Vorahnungen sich bestätigten, beschloss ich, dass es möglicherweise angebracht wäre, wenn ich ihm zuvorkäme. Deshalb ging ich am nächsten Morgen schon in aller Frühe – es dämmerte gerade erst, und ich hörte den Ruf des Muezzins zum ersten Gebet – sorgfältig zurechtgemacht aus dem Haus und ließ mich in einer Ecke des Innenhofs vom Hotel Nacional nieder. Ich war wie aus dem Ei gepellt, trug ein neues tailliertes weinrotes Kostüm und eine meiner Modezeitschriften unter dem Arm. Um mit sehr geradem Rücken und übereinandergeschlagenen Beinen nach ihm Ausschau zu halten. Für alle Fälle.
    Ich wusste, was ich da gerade tat, war absolut unsinnig. Rosalinda hatte davon gesprochen, dass man Logan eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für das spanische Protektorat gewähren wolle, er hatte mir sein Wort gegeben und versprochen, mir zu helfen. Formalitäten brauchten eben ihre Zeit. Wenn ich die Situation nüchtern betrachtet hätte, wäre mir klar geworden, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Meine Befürchtungen waren grundlos, und dass ich hier saß und wartete, war nur die absurde Zurschaustellung meiner Unsicherheit. Das wusste ich, ja, blieb aber dennoch auf meinem Posten.
    Um Viertel nach neun, als die Morgensonne bereits strahlend hell durch das Glasdach schien, kam er nach unten. Inzwischen hatte sich der Innenhof mit Gästen gefüllt, die frühstücken wollten. Also eilten die Kellner geschäftig hin und her, während die jungen marokkanischen Pagen unermüdlich Koffer und andere Gepäckstücke schleppten. Logan hinkte noch immer ein wenig und trug den Arm in einer Schlinge, die er sich aus einem blauen Tuch geknüpft hatte. Doch die Wunden auf seiner linken Gesichtshälfte waren fast verheilt. Nun, in sauberer Kleidung und nach einer erholsamen Nacht, das noch etwas nasse Haar ordentlich gekämmt, bot sich mir ein deutlich anderer Anblick als am Tag seiner Ankunft. Ich spürte einen bangen Stich, als ich ihn sah, den ich damit überspielte, dass ich mir rasch durchs Haar fuhr und die Beine erneut anmutig übereinanderschlug. Er entdeckte mich sofort und kam zu mir hinüber, um mich zu begrüßen.
    » Oh, ich wusste gar nicht, dass die Frauen hier in Afrika schon so zeitig unterwegs sind.«
    » Ja, kennen Sie denn das Sprichwort nicht: ›Nur der frühe Vogel fängt den Wurm‹?«
    » Na, und welchen Wurm wollen Sie fangen, wenn ich fragen darf?«, hakte er nach und machte es sich in dem Stuhl neben mir bequem.
    » Ich möchte nur, dass Sie Tetuán nicht verlassen, ohne mir gesagt zu haben, wie die Dinge in Bezug auf meine Mutter stehen.«
    » Bisher weiß ich leider noch nichts Genaues«, meinte er. Dann beugte er sich zu mir herüber. » Sie vertrauen mir überhaupt nicht, oder?«
    Seine Stimme klang sicher und warm. Fast komplizenhaft. Da ich fieberhaft nach einer glaubhaften Ausrede suchte, antwortete ich nicht sofort. Doch mir fiel nichts ein, sodass ich mich entschied, ihm gegenüber ganz offen zu sein.
    » Bitte, verzeihen Sie mir, aber in

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