Das Echo der Traeume
Gesicht wies kaum noch Spuren der vor Kurzem noch deutlich sichtbaren Verletzungen auf, und die marokkanische Sonne hatte ihm bereits eine Bräune beschert, die einen starken Kontrast zu seinem blütenweißen Hemd bildete. Er hielt sich ohne sichtbare Anstrengung aufrecht, Schultern und Rücken gerade. Als er mich sah, lächelte er, und dieses Mal behinderten ihn keine Verletzungen mehr.
» Der cuñadísimo wird nicht mehr nach Burgos zurückkehren wollen, wenn er Sie heute Abend sieht«, begrüßte er mich.
Während ich noch über eine ebenso originelle Antwort nachdachte, ließ sich hinter mir eine Stimme vernehmen.
» Du siehst toll aus!«, flüsterte Félix mir von seinem Versteck am Eingang mit heiserer Stimme zu.
Ich unterdrückte ein Lachen.
» Gehen wir?«, fragte ich nur.
Auch er hatte keine Möglichkeit zu antworten, denn in diesem Augenblick stellte sich uns eine massige Gestalt in den Weg.
» Einen Moment mal, Don Marcos«, gebot die Schmugglerin und hob die Hand, als wolle sie um Gehör bitten. » Ich möchte Ihnen noch einen Rat mit auf den Weg geben, wenn Sie erlauben.«
Logan sah mich etwas verblüfft an.
» Sie ist eine Freundin«, erklärte ich.
» Ah, na dann, schießen Sie los!«
Candelaria trat auf ihn zu, begann zu reden und tat dabei so, als würde sie einen nicht existierenden Fussel von seinem Sakko zupfen.
» Passen Sie gut auf, Sie Schreiberling, dieses Mädchen hat nämlich schon einiges hinter sich. Falls Sie auf die Idee kommen sollten, sich als Ausländer mit reichlich Kohle bei Sira einzuschmeicheln, weil Sie ja so ein toller Kerl sind, und Sie ihr am Ende etwas zuleide tun sollten, falls Ihnen einfallen sollte, ihr auch nur ein Haar zu krümmen, dann werden mein Freund hier, der warme Bruder, und ich auf der Stelle einen Auftrag erteilen, und es könnte sein, dass Ihnen in einer der nächsten Nächte in der morería jemand mit einem langen Messer begegnet, der Ihnen die gute Seite Ihrer Visage poliert, und dann wird Sie keine mehr anschauen wollen. Haben wir uns verstanden, Bürschchen?«
Der Journalist war zu keiner Antwort in der Lage. Zum Glück hatte er trotz seines tadellosen Spanisch kaum etwas von der unverhohlenen Drohung meiner Geschäftspartnerin verstanden.
» Was hat sie gesagt?«,
» Nichts Wichtiges. Gehen wir, sonst kommen wir noch zu spät.«
Als wir aufbrachen, konnte ich nur mit Mühe verbergen, wie stolz ich war. Nicht auf mein Erscheinungsbild, nicht auf den attraktiven Mann an meiner Seite und auch nicht auf die Einladung zu dem großen Ereignis heute Abend, sondern auf die vorbehaltlose Zuneigung der Freunde, die ich zurückließ.
Die Straßen waren mit spanischen Fahnen geschmückt, mit Girlanden und Plakaten, die den illustren Gast willkommen hießen und seinen Schwager Franco rühmten. Hunderte von Einheimischen und Spaniern waren eilig unterwegs, scheinbar ohne bestimmtes Ziel. Auf den ebenfalls in den Nationalfarben geschmückten Balkonen standen dicht gedrängt die Menschen, desgleichen auf den Dachterrassen. An den unwahrscheinlichsten Orten – auf Telegrafenmasten, Gartenzäunen, Straßenlaternen – sah man junge Burschen, die auf der Suche nach der besten Aussicht dort hinaufgeklettert waren. Die Mädchen spazierten mit frisch nachgezogenen Lippen Arm in Arm herum. Kinder rannten scharenweise kreuz und quer über die Straßen. Die spanischen Kinder kamen sorgfältig gekämmt und nach Kölnischwasser duftend daher, die kleinen Jungen mit Krawatte, die kleinen Mädchen mit Satinschleifen in den Zöpfen. Die kleinen Marokkaner trugen wie gewohnt Dschellaba und Tarbusch, viele gingen barfuß.
Je näher wir der Plaza de España kamen, desto dichter wurde die Menschenmenge, desto lauter wurde das Stimmengewirr. Es war warm, die Sonne noch stark. Eine Musikkapelle, die ihre Instrumente stimmte, war zu hören. Man hatte Tribünen errichtet, die bereits bis auf den letzten Platz besetzt waren. Marcus Logan musste mehrere Male seine Einladung vorzeigen, ehe man uns die Absperrungen passieren ließ, die das gemeine Volk von den Bereichen trennten, wo sich später die Würdenträger aufhalten würden. Wir wechselten kaum ein Wort auf dem Weg, der Lärm und die ständig notwendigen Ausweichmanöver machten jede Unterhaltung unmöglich. Manchmal musste ich mich an Logans Arm festklammern, damit uns die Menschenmenge nicht trennte, manchmal hielt er mich an den Schultern fest, damit ich im Gewühl nicht verloren ging. Wir brauchten eine ganze Weile,
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