Das Echo der Traeume
erfreut‹, aber auf keinen Fall › das Vergnügen ist ganz meinerseits‹ oder etwas anderes Unpassendes. Wenn über etwas gesprochen wird, das du nicht kennst oder verstehst, setze einfach dein hinreißendes Lächeln auf, halte den Mund und nicke gelegentlich. Und wenn sich ein Gespräch nicht vermeiden lässt, denk daran, deine Lügengeschichten auf ein Minimum zu reduzieren, nicht, dass sie dich bei einer erwischen! Denn es ist eine Sache, sich eine kleine Schwindelei zu leisten, um sich als grand couturier zu verkaufen, aber eine andere, selbst in die Falle zu tappen, weil man vor Leuten mit Scharfsinn oder genügend Geschmack prahlt, die deine Täuschungsmanöver blitzschnell aufdecken können! Zu keiner Zeit solltest du dich übertrieben begeistert zeigen, weder solltest du dir auf die Schenkel klatschen noch Ausdrücke wie › Echt!‹ oder › Ach, du dickes Ei!‹ fallen lassen. Wenn du eine Bemerkung lustig findest, lach bloß nicht schallend, sodass die Leute deine Mandeln begutachten können. Und halte dir nicht vor Lachen den Bauch! Immer nur lächeln und so wenig wie möglich sagen! Äußere nicht ungefragt deine Meinung und komm bloß nicht auf die Idee, ein Gespräch mit der taktlosen Bemerkung › Und wer sind Sie, guter Mann?‹ oder › Sagen Sie nicht, die Dicke da ist Ihre Frau‹ zu unterbrechen.«
» Das alles weiß ich doch schon, Félix«, unterbrach ich ihn kichernd. » Ich bin vielleicht nur eine kleine Schneiderin, aber ich komme auch nicht aus der Steinzeit. Erzähl mir lieber was Interessantes, bitte.«
» Einverstanden, meine Liebe, wie du willst. Ich wollte dir nur behilflich sein, falls dir das eine oder andere nicht klar gewesen wäre. Nun gut, kommen wir zur Sache.«
Und so stellte mir Félix im Laufe mehrerer Nächte die bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Stadt vor. Nach und nach lernte ich ihre Namen, Posten und Ämter auswendig, und dank der Zeitungen, Zeitschriften, Fotografien und Jahrbücher, die Félix anschleppte, kannte ich von vielen auch die Gesichter. Auf diese Weise erfuhr ich, wo sie lebten, was sie machten, welches Vermögen sie besaßen und welche Stellung sie innehatten. In Wahrheit interessierte mich all das herzlich wenig, doch Marcus Logan rechnete fest damit, dass ich ihm half, die Lokalprominenz zu erkennen, und darauf wollte ich vorbereitet sein.
» In Anbetracht der Herkunft deines Begleiters denke ich, dass ihr den Abend vor allem mit anderen Ausländern verbringen werdet«, erklärte mir Félix. » Ich vermute, dass außer den Ortsansässigen auch viele Leute aus Tanger zum Empfang kommen, denn dorthin wird der cuñadísimo nicht reisen, aber du weißt ja, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann …«
Ich fand diesen Gedanken tröstlich. Auf diese Weise wäre ich unter Leuten, die ich nie zuvor gesehen hatte und danach vermutlich auch nie wiedersehen würde. Unter ihnen würde ich mich bestimmt wohler fühlen als unter den Einheimischen, denen ich tagtäglich begegnete. Ich lauschte interessiert seinem Bericht über die Parade, die stattfinden würde, und nähte unterdessen wie besessen weiter.
Schließlich kam der große Tag. Den ganzen Vormittag über verließ ein Kleid nach dem anderen auf Jamilas Armen mein Atelier. Bis zum Mittag hatte sie alles ausgeliefert, und allmählich kehrte Ruhe ein. Ich vermutete, dass die anderen weiblichen Gäste schon mit dem Essen fertig waren und sich in ihren abgedunkelten Schlafzimmern ein wenig hinlegten oder bereits auf dem Weg zum Friseur waren und darauf warteten, dass Justo oder Miguel sie verschönerten. Ich beneidete sie, denn mir blieb gerade noch Zeit, einen Happen zu essen, ehe ich mich während der Siesta endlich hinsetzte, um mein eigenes Kleid zu nähen. Um Viertel vor drei machte ich mich ans Werk. Der Empfang begann um acht. Marcus Logan würde mich um halb acht abholen kommen. Vor mir lag ein Berg Arbeit, und mir blieben weniger als fünf Stunden Zeit.
29
Als ich mit dem Bügeln fertig war, sah ich auf die Uhr. Zwanzig Minuten nach sechs. An meinem Abendkleid gab es nichts mehr zu tun, nur mich selbst musste ich noch zurechtmachen.
Ich stieg in die Badewanne und verbannte alle Gedanken aus meinem Kopf. Nervös werden würde ich noch früh genug. Jetzt hatte ich erst einmal eine Pause verdient, Entspannung in warmem Wasser und Seifenschaum. Ich spürte, wie mein erschöpfter Körper sich erholte, wie die des Nähens müden Finger wieder beweglicher wurden und meine Nackenmuskeln sich
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