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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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bereits selbst in Tanger besorgte, ich erzählte ihr von meinen Kundinnen und ihren Launen, ich versuchte, sie mit Anekdoten aus der Zeit aufzuheitern, als wir noch gemeinsam an Kleidern genäht hatten. Nichts. Ich erreichte nichts damit, als würde ich in einem unverständlichen Kauderwelsch mit ihr reden. Bis sie eines schönen Morgens den Kopf durch die Tür zum Atelier streckte und fragte: » Kann ich dir helfen?« Da wusste ich, dass meine Mutter wieder ins Leben zurückgekehrt war.
    Nach drei oder vier Monaten hatte sich unser Zusammenleben merklich entspannt. Seit sie mithalf, musste ich mich nicht mehr gar so sehr plagen. Das Geschäft lief weiterhin gut, sodass wir Candelaria Monat für Monat ihren Anteil bezahlen konnten und uns beiden genügend Geld blieb, um gut zu leben. Es war nicht mehr notwendig, pausenlos zu arbeiten. Wir verstanden uns wieder gut, obwohl wir uns inzwischen sehr verändert hatten, und das war uns beiden klar. Die starke Dolores war verletzlich geworden, die kleine Sira mittlerweile eine selbständige Frau. Doch wir akzeptierten uns gegenseitig, wir schätzten uns, und da die Rollen klar definiert waren, entwickelten sich zwischen uns niemals mehr die alten Spannungen.
    Es kam mir vor, als wäre die Schinderei meiner ersten Zeit in Tetuán schon lange, schon ewig her. Die Zweifel und die Streifzüge, die nächtlichen Vergnügungen bis in den Morgen und das In-den-Tag-hinein-Leben, das alles gehörte der Vergangenheit an und hatte einer ruhigen Gelassenheit Platz gemacht, manchmal auch einer ganz öden Normalität. Aber die Erinnerung an die Vergangenheit lebte in mir weiter. Obwohl Marcus’ Abwesenheit mit der Zeit weniger schmerzte, begleitete mich die Erinnerung an ihn auf Schritt und Tritt wie ein unsichtbarer Gefährte, dessen Konturen nur ich wahrnehmen konnte. Wie oft bedauerte ich, dass ich in der Beziehung zu ihm nicht mutiger gewesen war, wie oft verwünschte ich mich für meine rigorose Haltung. Er fehlte mir so sehr. Dennoch war ich im Grunde meines Herzens froh, dass ich mich von meinen Gefühlen nicht hatte hinreißen lassen, denn dann hätte ich wahrscheinlich noch viel mehr unter seiner Abwesenheit gelitten.
    Félix sah ich weiterhin, selbst wenn mit der Ankunft meiner Mutter seine nächtlichen Besuche bei mir endeten, ebenso wie das Hin und Her von Tür zu Tür, seine skurrilen Lektionen in Allgemeinbildung, seine anregende und herzliche Gesellschaft.
    Auch meine Beziehung zu Rosalinda veränderte sich. Ihr Ehemann blieb wesentlich länger in Tetuán als erwartet. Ohne jede Rücksicht auf ihre Gesundheit beanspruchte er ihre Zeit. Glücklicherweise wurde sich Peter Fox nach fast sieben Monaten darüber klar, was er wollte, und beschloss, nach Indien zurückzugehen. Kein Mensch wusste, wie sein vom Alkohol benebeltes Gehirn doch noch so viel Klarsichtigkeit aufbrachte, aber jedenfalls traf er an irgendeinem Morgen selbst diese Entscheidung, als seine Frau kurz vor dem Zusammenbruch stand. Trotzdem brachte sein Fortgang außer unendlicher Erleichterung wenig Gutes mit sich. Natürlich sah er nicht ein, dass eine Scheidung das Vernünftigste wäre, um dieser Farce von einer Ehe endlich ein Ende zu machen. Im Gegenteil, Rosalinda vermutete, dass er seine Geschäfte in Kalkutta aufgeben und anschließend nach Spanisch-Marokko zurückkehren wollte, um sich endgültig bei Frau und Sohn niederzulassen und im friedlichen Protektorat, in dem das Leben billig war, mit ihnen seinen vorgezogenen Ruhestand zu genießen. Und damit sie sich nicht zu früh an das gute Leben gewöhnten, beschloss er, nachdem er den Unterhalt seit Jahren nicht erhöht hatte, ihnen auch dieses Mal kein einziges Pfund Sterling mehr zuzugestehen.
    » Notfalls kann dir ja dein lieber Freund Beigbeder aushelfen«, sagte er zum Abschied.
    Zum Glück für alle Beteiligten kehrte er niemals nach Marokko zurück. Rosalinda hatte das unerfreuliche Zusammenleben derart zermürbt, dass sie fast ein halbes Jahr brauchte, um sich davon zu erholen. Die Monate nach Peters Abreise verbrachte sie fast durchgängig im Bett und verließ das Haus nur zu drei oder vier Anlässen. Der Hochkommissar verlegte seinen Arbeitsplatz praktisch in ihr Schlafzimmer, und dort verbrachten sie lange Stunden gemeinsam – sie lesend zwischen Kissen, er an seinen Akten arbeitend an einem kleinen Tisch beim Fenster.
    Dass Rosalinda das Bett hüten sollte, bis sie sich wieder ganz erholt hatte, hinderte sie keineswegs daran, ihre

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