Das Echo der Traeume
zwei Kanäle tun. Der eine ist der Blumenladen Bourguignon in der Calle Almagro. Der Besitzer, ein Holländer, ist ebenfalls ein sehr guter Freund von uns. Wir werden Ihnen Blumen schicken. Weiße, vielleicht gelbe, auf jeden Fall welche in einer hellen Farbe. Die roten überlassen wir Ihren Verehrern.«
» Sehr rücksichtsvoll«, bemerkte ich ironisch.
» Sehen Sie sich den Strauß gut an«, fuhr er fort, ohne auf meinen Einwurf einzugehen. » Darin ist stets eine Nachricht für Sie versteckt. Wenn es etwas Harmloses ist, steht es handschriftlich auf einer einfachen Karte. Lesen Sie die Nachricht immer mehrere Male, versuchen Sie festzustellen, ob die scheinbar banalen Wörter auch eine andere Bedeutung haben könnten. Wenn es um etwas Komplexeres geht, verwenden wir den gleichen Code wie Sie, den umgekehrten Morsecode, übertragen auf ein Band, mit dem der Strauß zusammengebunden ist: Nehmen Sie das Band ab und entschlüsseln Sie die Botschaft in derselben Weise, wie Sie sie niederschreiben, also von rechts nach links.«
» Verstanden. Und der zweite Kanal?«
» Wieder das Embassy, aber nicht der Teesalon selbst, sondern seine Pralinen. Wenn Sie überraschend eine Schachtel Pralinen erhalten, dann kommt sie von uns. Und sie enthält eine ebenfalls chiffrierte Nachricht. Achten Sie auf den Pappkarton und das Einwickelpapier.«
» Wie aufmerksam«, merkte ich mit spöttischem Unterton an. Auch dieses Mal schien er davon keine Notiz zu nehmen, und wenn, so sagte er jedenfalls nichts.
» Darum geht es: unverdächtige Mechanismen für den geheimen Informationsaustausch zu nutzen. Kaffee?«
Ich nickte zustimmend, obwohl ich mein Obst noch nicht aufgegessen hatte. Daraufhin griff er nach einem metallenen Behältnis, schraubte den oberen Teil ab und füllte die Tassen. Wie durch ein Wunder kam der Kaffee ganz heiß heraus, als wäre er frisch gebrüht. Dabei hatte er doch seit mindestens einer Stunde auf dem Tisch gestanden. Wie war das möglich?
» Das ist eine Thermoskanne, eine großartige Erfindung«, erklärte er, als hätte er meine Verwunderung bemerkt. Dann nahm er aus seinem Aktenkoffer mehrere schmale Hefter aus heller Pappe und legte den Stapel vor sich auf den Tisch. » Ich werde Ihnen nun die Personen vorstellen, die uns am meisten interessieren. Es kann auch sein, dass sich unser Interesse an diesen Damen im Laufe der Zeit verstärkt oder verringert oder dass sie uns gar nicht mehr interessieren, obwohl ich das bezweifle. Wahrscheinlich werden wir noch Namen ergänzen, werden wir Sie bitten, die Beobachtung der einen oder anderen Dame zu intensivieren oder sich auf bestimmte konkrete Informationen zu konzentrieren. Kurzum, wir werden Sie diesbezüglich auf dem Laufenden halten. Im Augenblick sind jedoch dies die Personen, deren Vorhaben wir möglichst schnell kennen möchten.«
Er schlug den ersten Hefter auf und nahm einige mit Maschine beschriebene Blätter heraus. In der oberen rechten Ecke war eine Fotografie angeklammert.
» Die Baronin Petrino, rumänischer Herkunft. Mädchenname Elena Borkowska. Verheiratet mit Josef Hans Lazar, Presse- und Propagandachef der deutschen Botschaft. Für ihn interessieren wir uns vorrangig: Er ist überaus einflussreich und mächtig, gewandt, hat beste Beziehungen zum spanischen Regime und vor allem zu den wichtigsten Falangisten. Außerdem besitzt er ein besonderes Talent für Öffentlichkeitsarbeit: Er veranstaltet fabelhafte Feste in seinem Palais am Paseo de la Castellana und hat Dutzende Journalisten und Unternehmer damit › gekauft‹, dass er sie mit Delikatessen und Spirituosen beschenkt, die er direkt aus Deutschland kommen lässt. Er führt ein Luxusleben, ein Skandal im Not leidenden Spanien von heute, und ist verrückt nach Antiquitäten, vermutlich ergattert er auf Kosten anderer, die hungern müssen, die wertvollsten Stücke. Ironischerweise ist er offenbar Jude und stammt aus der Türkei, was er tunlichst unter den Teppich zu kehren versucht. Seine Gattin ist ebenso vergnügungs- und prunksüchtig wie er und fehlt bei keinem Fest, weshalb wir sicher sind, dass sie zu Ihren ersten Kundinnen zählen wird. Wir hoffen, dass sie Ihnen viel Arbeit machen wird, hinsichtlich neuer Kleider ebenso wie mit Informationen über ihre Unternehmungen.«
Mit diesen Worten klappte er den Hefter schon zu, ohne dass ich einen Blick auf das Foto hätte werfen können, und schob ihn mir zu. Als ich den Hefter öffnen wollte, gebot er mir Einhalt.
» Machen Sie das
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