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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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ein neues Leben fernab von hier, da schneller, als man denkt, etwas Fürchterliches geschehen kann, und dann kommt hier niemand mehr lebend heraus.«
    Ich konnte mich nicht länger im Zaum halten.
    » Und wieso gehen Sie nicht?«
    Er lächelte verbittert, wieder einmal. Er streckte seine große Hand aus und ergriff die meine. Seine Hand war warm. Während er sprach, ließ er mich nicht los.
    » Weil ich, meine Tochter, keine Zukunft mehr brauche. Ich habe bereits alle Brücken hinter mir abgebrochen. Und bitte, tu mir den Gefallen und sieze mich nicht. Meine Zeit ist abgelaufen, vielleicht etwas zu früh, gewiss, aber ich habe keine Lust und auch nicht die Kraft mehr, für ein neues Leben wieder alles zu geben. Wenn man eine solche Veränderung auf sich nimmt, sollte man sie stets mit Träumen und Hoffnungen angehen, mit Illusionen. Sich ohne sie aufzumachen hieße, die Flucht zu ergreifen. Und ich habe nicht die Absicht, irgendwohin zu fliehen. Ich ziehe es vor hierzubleiben und mich dem, was auch kommen mag, zu stellen. Aber du, Sira, du bist jung, du solltest eine Familie gründen, vorwärtskommen im Leben. Und Spanien ist dabei, sich zu einem unseligen Ort zu entwickeln. Und so lautet also mein Rat als Vater und als Freund: Geh fort! Nimm deine Mutter mit, damit sie ihre Enkel groß werden sieht. Und versprich mir, dass du dich um sie kümmerst, wie ich es hätte tun sollen.«
    Er blickte mir so lange fest in die Augen, bis ich ihm durch ein Kopfnicken zustimmte. Ich wusste zwar nicht, was er in Bezug auf meine Mutter genau von mir erwartete, doch etwas anderes als einzuwilligen hätte ich nicht gewagt.
    » Gut, ich glaube, damit sind wir am Ende angekommen«, verkündete er.
    Er erhob sich, und wir folgten seinem Beispiel.
    » Vergiss deine Sachen nicht«, meinte er. Ich gehorchte. Bis auf das größte der Schmuckkästchen und die Umschläge mit dem Geld passte alles in meine Handtasche.
    » Und nun lass mich dich zum ersten Mal umarmen. Es wird sicher auch das letzte Mal sein. Ich bezweifle, dass wir uns jemals wiedersehen.«
    Er umhüllte meine schlanke Gestalt mit seiner Korpulenz und drückte mich fest an sich. Dann nahm er mein Gesicht in seine großen Hände und küsste mich auf die Stirn.
    » Du bist genauso wunderschön wie deine Mutter. Ich wünsche dir viel Glück im Leben, Sira. Gott segne dich.«
    Ich wollte irgendetwas erwidern, doch ich konnte nicht. Die Laute blieben mir im Halse stecken, Tränen stiegen mir in die Augen, und so vermochte ich mich nur noch umzudrehen, auf den Flur hinauszustolpern und mit verschleiertem Blick den Ausgang zu suchen.
    Ich wartete im Treppenhaus auf meine Mutter. Die Tür zum Flur stand halb offen, und so sah ich sie unter dem finsteren Blick Servandas herauskommen. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen glasig, endlich zeigten sich Gefühle in ihrem Gesicht. Ich habe nicht mit eigenen Augen gesehen, was meine Eltern in diesen kurzen fünf Minuten machten oder sagten, aber ich war immer davon überzeugt, dass auch sie sich umarmten und für immer voneinander verabschiedeten.
    Wir gingen hinunter, wie wir heraufgekommen waren: meine Mutter vorneweg, ich hinterher. Schweigend. Mit dem Schmuck, den Dokumenten und den Fotos in der Tasche, das Geld unter den Arm geklemmt, unter dem Geklapper unserer Absätze auf den Marmorstufen. Als wir im Zwischengeschoss ankamen, hielt ich es nicht länger aus: Ich packte sie am Arm, zwang sie, stehen zu bleiben und mich anzusehen. Meine Stimme war kaum hörbar, ein verängstigtes Wispern.
    » Mutter, stimmt es, dass sie ihn umbringen werden?«
    » Was weiß ich, Mädchen, was weiß ich …«

4
    Wir traten auf die Straße hinaus und machten uns auf den Heimweg, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Meine Mutter schritt eilig aus, und ich hatte Mühe, an ihrer Seite zu bleiben. Vielleicht lag es aber auch an meinen unbequemen neuen Schuhen mit den hohen Absätzen, dass ich nicht mit ihr Schritt halten konnte. Erst nach einigen Minuten traute ich mich, noch immer ganz fassungslos, überhaupt den Mund aufzumachen.
    » Was mache ich jetzt mit alledem, Mutter?«
    Sie antwortete mir, ohne stehen zu bleiben.
    » Bewahre es gut auf.« Mehr sagte sie nicht.
    » Alles? Und du willst nichts für dich?«
    » Nein, es gehört alles dir, du bist die Erbin. Und außerdem bist du schon eine erwachsene Frau, und es ist allein deine Sache, was du in Zukunft mit dem Geld und den anderen Dingen machst, die dein Vater dir schenkt. Ich habe mich da

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