Das Echo der Traeume
verschlüsseln, und nachdem auch das erledigt und die handschriftlichen Notizen des Tages verbrannt waren, löschte ich eine nach der anderen die Lampen und machte mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Nach den ersten Schritten verharrte ich plötzlich wie erstarrt. Zuerst meinte ich einen einzelnen Schlag zu hören, dann zwei, drei, vier Schläge hintereinander. Danach Stille. Dann begann es wieder, und jetzt war klar, woher das Geräusch kam: Es klopfte an der Tür, mit den Fingerknöcheln gegen das Holz, anstatt zu läuten. Trockene Schläge, die immer näher zu kommen schienen, bis sie zu einem stetigen Getrommel wurden. Ich stand noch immer regungslos da, wie gelähmt vor Angst.
Doch das Klopfen hörte nicht auf, und diese Hartnäckigkeit provozierte mich zu einer Reaktion, denn wer immer da vor meiner Tür stand, er hatte offenbar nicht die Absicht, wieder zu gehen, ehe er mich gesehen hatte. Ich zog den Gürtel des Morgenrocks fest zu und näherte mich langsam der Wohnungstür. Ich schluckte, dann schob ich ganz langsam und geräuschlos die Klappe über dem Türspion zur Seite und öffnete die Tür.
» Um Gottes willen, kommen Sie herein, kommen Sie, kommen Sie!«, war das Einzige, was ich flüsternd herausbrachte.
Der Mann trat hastig ein, er wirkte nervös, außer sich.
» Es ist so weit, es ist so weit. Ich bin entlassen worden, alles ist vorbei.«
Er sah mich nicht einmal an, während er diese Sätze hervorstieß, sondern redete wie von Sinnen, wie zu sich selbst oder zur Wand. Ich führte ihn eilig in den Salon, fast stieß ich ihn hinein, denn ich fürchtete, jemand aus dem Haus könnte ihn gesehen haben. Die ganze Wohnung lag im Halbdunkel, doch ehe ich eine Lampe einschaltete, sollte er sich setzen, sich ein wenig beruhigen. Er weigerte sich. Er lief erregt im Zimmer auf und ab, wie von Sinnen, und wiederholte ein ums andere Mal:
» Es ist so weit, es ist so weit. Ich bin entlassen worden, alles ist vorbei.«
Nachdem ich eine kleine Lampe eingeschaltet hatte, die in einer Ecke stand, schenkte ich ihm, ohne zu fragen, einen großen Cognac ein.
» Hier, bitte«, sagte ich und nötigte ihn, mir das Glas abzunehmen. » Trinken Sie!« Er führte das Glas mit zitternden Händen zum Mund. » Und nun setzen Sie sich bitte, beruhigen sich, und dann erzählen Sie mir, was geschehen ist.«
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ihn bewogen haben könnte, um diese Zeit – es war schon nach Mitternacht – bei mir aufzutauchen. Auch wenn ich davon ausging, dass er auf dem Weg zu mir vorsichtig gewesen war, so konnte man aus seinem überaus erregten Verhalten doch schließen, dass ihm vielleicht alles schon gleichgültig war. Seit über eineinhalb Jahren hatte ich ihn nicht mehr gesehen, seit dem Tag seiner offiziellen Verabschiedung in Tetuán. Ich zog es vor, ihn lieber nichts zu fragen, ihn nicht unter Druck zu setzen. Es handelte sich offensichtlich nicht um einen reinen Höflichkeitsbesuch, aber ich wollte lieber warten, bis er sich beruhigte. Vielleicht erzählte er mir dann von selbst, was er von mir wollte. Er setzte sich, den Cognac in der Hand, und nahm noch einen Schluck. Er war wie jemand vom Land gekleidet, dunkel, mit weißem Hemd und gestreifter Krawatte, ohne die schmucke Uniform und die Schärpe quer über der Brust, wie ich ihn so viele Male bei offiziellen Anlässen erlebt hatte. Unmittelbar danach hatte er die Schärpe stets wieder abgelegt. Langsam schien er sich ein wenig zu beruhigen. Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte, den Blick ins Leere gerichtet, eingehüllt in den Rauch und seine Gedanken. Ich hingegen setzte mich schweigend in einen Sessel in seiner Nähe, schlug die Beine übereinander und wartete. Als er die Zigarette fertig geraucht hatte, richtete er sich kurz auf, um sie im Aschenbecher auszudrücken. In dieser Haltung hob er nun endlich den Blick und begann zu reden.
» Sie haben mich des Amtes enthoben. Morgen wird es offiziell. Die Mitteilung ist bereits unterwegs zum Boletín Oficial del Estado, dem staatlichen Anzeiger, und zur Presse, in sieben oder acht Stunden ist die Nachricht draußen. Wissen Sie, wie viele Wörter sie für meine Liquidierung übrig haben? Ganze dreiundzwanzig. Ich habe sie gezählt, schauen Sie.«
Aus der Tasche seines Jacketts zog er eine handgeschriebene Notiz. Er zeigte sie mir, es standen nur wenige Zeilen darauf, die er aus dem Gedächtnis hersagte.
»› Don Juan Luis Beigbeder y Atienza scheidet aus dem Amt des
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