Das Echo der Traeume
Gelegenheit gehabt, dein Können unter Beweis zu stellen. Du hast deine Jugend in einem Kaninchenbau vergeudet und Klamotten für andere genäht ohne jede Chance, etwas aus deinem Leben zu machen. Deine Chance, dein großer Augenblick kommt erst noch.«
» Und was werden die Leute bei Hispano-Olivetti sagen, wenn sie erfahren, dass du gehst?«
Er lächelte spöttisch und küsste mich auf die Nasenspitze.
» Die Leute bei Hispano-Olivetti, mein Liebling, die können mich mal!«
Die Academia Pitman oder ein Luftschloss – wenn die Idee aus Ramiros Mund kam, war mir alles recht: wenn er mir mit fiebriger Begeisterung seine Pläne darlegte, während er meine Hände hielt und mir tief in die Augen sah, wenn er mir immer wieder sagte, was für ein wertvoller Mensch ich sei und wie wunderbar alles werden würde, wenn wir auf eine gemeinsame Zukunft setzten. Die Academia Pitman oder ewiges Höllenfeuer: Was er vorschlug, war für mich Gesetz.
Am nächsten Tag brachte er die Informationsbroschüre mit nach Hause, an der sich seine Fantasie entzündet hatte. Ganze Absätze beschäftigten sich mit der Geschichte des Unternehmens: gegründet 1919 von drei Gesellschaftern – Allúa, Schmiegelon und Jan. Basierend auf der von dem Engländer Isaac Pitman entwickelten Kurzschrift. Geprüfte Methode, strenge Lehrer, hundertprozentige Erfolgsgarantie, persönliche Betreuung, eine glänzende Zukunft nach Erlangung des Diploms. Die Fotografien lächelnder junger Menschen, die ihre glänzende berufliche Zukunft schon vor Augen hatten, schienen die Versprechungen zu bestätigen. Die Broschüre strahlte einen Optimismus aus, der selbst dem größten Skeptiker den Wind aus den Segeln nahm: » Lang und steil ist der Weg des Lebens. Nicht alle erreichen das ersehnte Ziel, wo Erfolg und Wohlstand warten. Viele bleiben auf der Strecke: die Wankelmütigen, die Charakterschwachen, die Nachlässigen, die Unwissenden, diejenigen, die sich ausschließlich auf ihr Glück verlassen und vergessen, dass die größten und glänzendsten Erfolge auf intensivem Studium, Durchhaltevermögen und Willenskraft basieren. Jeder ist seines Glückes Schmied. Nehmen Sie Ihr Schicksal in die Hand!«
An jenem Nachmittag ging ich meine Mutter besuchen. Sie kochte uns Kaffee, und während wir ihn in der Gegenwart meines schweigenden Großvaters tranken, berichtete ich ihr von unserem Vorhaben und schlug ihr vor, dass sie, sobald wir uns in Nordafrika eingerichtet hätten, vielleicht zu uns kommen könne. Wie ich schon geahnt hatte, gefiel ihr unser Plan überhaupt nicht, und sie wollte auch nicht nachkommen.
» Du brauchst weder tun, was dein Vater sagt, noch alles glauben, was er uns erzählt hat. Dass er geschäftliche Probleme hat, bedeutet nicht, dass auch uns etwas geschieht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass er übertrieben hat.«
» Es wird schon seinen Grund haben, wenn er derart mutlos ist. Er wird es sich nicht aus den Fingern saugen …«
» Er hat Angst, weil er es gewohnt ist, Befehle zu geben, ohne dass ihm jemand widerspricht. Und jetzt beunruhigt ihn, dass die Arbeiter zum ersten Mal den Mund aufmachen und ihre Rechte einfordern. Ehrlich gesagt, ich frage mich dauernd, ob es nicht völlig verrückt war, dieses viele Geld und vor allem die Schmuckstücke anzunehmen.«
Verrückt oder nicht, jedenfalls fügten sich das Geld, der Schmuck und unsere Pläne von diesem Zeitpunkt an bequem in unseren Alltag ein, unaufdringlich, aber doch ständig gegenwärtig in den Gedanken und Gesprächen. Ramiro kümmerte sich wie geplant um die Formalitäten für die Firmengründung, und ich beschränkte mich darauf, die Papiere zu unterschreiben, die er mir vorlegte. Ansonsten verlief mein Leben wie bisher: aufregend, unterhaltsam, verliebt, voller Unvernunft und Naivität.
Die Begegnung mit Gonzalo Alvarado half meiner Mutter und mir, die Meinungsverschiedenheiten in unserer Beziehung ein wenig zu bereinigen, doch unsere Lebenswege gingen unweigerlich in unterschiedliche Richtungen. Dolores hielt sich über Wasser, indem sie die allerletzten aus Doña Manuelas Schneiderei mitgebrachten Stoffreste verarbeitete. Hin und wieder nähte sie für eine Nachbarin, aber die meiste Zeit hatte sie nichts zu tun. Meine Welt jedoch war bereits eine andere: eine Welt, in der Schnittmuster und Futterstoffe keinen Platz mehr hatten, in der von der jungen Schneiderin, die ich einmal gewesen war, fast nichts mehr übrig blieb.
Die
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