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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Wir hatten uns insgesamt nur ein paar Stunden gesehen, doch man sagt ja, die Macht des Blutes sei so mächtig, dass sie manchmal solche Dinge bewirke. Vielleicht waren aber sein Scharfsinn und sein gutes Gedächtnis doch stärker als der väterliche Instinkt.
    Er war dünner und sein Haar grauer geworden, aber er sah noch immer sehr gut aus. Das Orchester stimmte Aquellos ojos verdes an, und er forderte mich zum Tanzen auf.
    » Du glaubst nicht, wie sehr es mich freut, dich wiederzusehen«, sagte er. Seine Stimme klang aufrichtig.
    » Mich auch«, log ich. In Wahrheit wusste ich nicht, ob ich mich freute oder nicht. Ich war noch zu sehr damit beschäftigt, dieses unerwartete Zusammentreffen zu verdauen, als dass ich mir schon eine Meinung dazu hätte bilden können.
    » Du hast inzwischen einen anderen Vor- und Nachnamen, und man erzählt sich, du seiest Marokkanerin. Ich nehme an, du wirst mir die Gründe dafür nicht erzählen, oder?«
    » Nein, ich glaube nicht, dass ich das tun werde. Darüber hinaus denke ich, dass Sie das nicht sonderlich interessieren dürfte. Das ist allein meine Sache.«
    » Würdest du mich bitte duzen?«
    » Wie du möchtest. Soll ich vielleicht auch Papa zu dir sagen?«, fragte ich spöttisch.
    » Nein danke. Gonzalo reicht völlig.«
    » Einverstanden. Wie geht es dir, Gonzalo? Ich dachte, sie hätten dich im Krieg getötet.«
    » Wie du siehst, habe ich überlebt. Das ist eine lange Geschichte, zu düster für eine Silvesternacht. Wie geht es deiner Mutter?«
    » Gut. Sie lebt jetzt in Marokko, wir haben in Tetuán ein Schneideratelier.«
    » Also habt ihr auf mich gehört und seid im richtigen Moment aus Spanien weggegangen?«
    » Mehr oder weniger. Auch unsere Geschichte ist sehr lang.«
    » Vielleicht willst du sie mir ja eines Tages erzählen. Wir könnten uns ja mal treffen und reden. Ich würde dich gerne zum Essen einladen«, schlug er vor.
    » Ich denke nicht, dass ich kann. Ich gehe nicht viel aus, da ich zu viel zu tun habe. Heute bin ich nur gekommen, weil meine Kundinnen einfach nicht lockergelassen haben. Wie naiv von mir, denn anfänglich dachte ich tatsächlich, es sei einfach eine nette Geste. Nun sehe ich, dass hinter der liebenswürdigen und unschuldigen Einladung an die Schneiderin der Saison etwas ganz anderes steckte. Du hast nicht zufällig etwas damit zu tun?«
    Weder bejahte noch verneinte er meine Vermutung. Seine Antwort wurde von den Klängen eines Boleros unterbrochen.
    » Marita, die Verlobte meines Sohnes, ist ein gutes Mädchen, sehr liebevoll und begeisterungsfähig wie kaum eine andere, obwohl nicht sonderlich schlau. Auf jeden Fall schätze ich sie sehr. Sie ist die Einzige, die es geschafft hat, deinen Bruder Carlos zu zähmen, und in ein paar Monaten führt er sie zum Traualtar.«
    Wir sahen zu meiner Kundin hinüber, die gerade mit ihrer Schwester Teté tuschelte. Beide, in ein Modell aus meinem Atelier gehüllt, ließen uns nicht aus den Augen. Während ich ihre Blicke mit einem falschen Lächeln auf den Lippen erwiderte, nahm ich mir das Versprechen ab, niemals wieder Kundinnen zu trauen, die mir erzählten, wie traurig es doch sei, die Silvesternacht allein verbringen zu müssen.
    Gonzalo, mein Vater, fuhr fort zu erzählen.
    » Ich habe dich im Oktober dreimal gesehen. Beim ersten Mal stiegst du aus einem Taxi und gingst ins Embassy. Ich führte gerade meinen Hund aus, keine fünfzig Meter von dir entfernt, aber du hast mich nicht bemerkt.«
    » Nein, ich habe dich nicht gesehen, so viel ist sicher. Ich bin immer ziemlich in Eile.«
    » Ich meinte, dich wiedererkannt zu haben, doch ich hatte dich ja nur ein paar Sekunden lang gesehen und mir alles vielleicht auch nur eingebildet. Das zweite Mal sah ich dich an einem Samstagmorgen im Prado. Ich gehe gern in dieses Museum. Ich folgte dir von Weitem, während du durch mehrere Säle gingst. Doch auch da war ich mir noch immer nicht sicher, ob du es tatsächlich bist. Anschließend gingst du zur Garderobe, um eine Mappe zu holen, und setztest dich vor Tizians Porträt der Kaiserin Isabella von Portugal. Ich stellte mich in eine andere Ecke des Saales und blieb dort so lange, bis du deine Sachen packtest und davongingst. Nun war ich mir sicher, dass ich mich nicht getäuscht hatte. Du warst es, doch dein Erscheinungsbild hatte sich geändert. Du wirktest reifer, entschlossener und eleganter, aber zweifellos warst du meine Tochter, jenes verängstigte Mäuschen, das ich kurz vor Kriegsausbruch

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