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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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verleihen, für das man mich hielt. Ich hatte mir eine Art silberne Tunika mit weiten Ärmeln entworfen, dazu einen breiten Gürtel, den ich mir um die Taille schlang. Eine Aufmachung, die ein Mittelding zwischen einem marokkanischen Kaftan und einem eleganten europäischen Abendkleid war. Der ledige Bruder der beiden holte mich zu Hause ab: ein gewisser Ernesto, der vor allem durch sein Vogelgesicht und seine schmierige Art auffiel, mit der er mich zu umgarnen versuchte. Als wir im Casino ankamen, schritt ich selbstsicher die breite Marmortreppe hinauf. Im Saal angekommen, tat ich, als würden mich weder die prunkvolle Umgebung noch die Augenpaare beeindrucken, die mich unverhohlen musterten. Ja, nicht einmal den riesigen Lüstern, die von der Decke hingen, und auch nicht den Stucksockeln, die herrliche Wandgemälde umrahmten, schenkte ich meine Aufmerksamkeit. Sicherheit und Selbstbeherrschung, das war es, was ich ausstrahlen wollte. Als sei dieses prächtige Ambiente meine natürliche Umgebung. Als sei ich ein Fisch und diese Opulenz das Wasser.
    Aber so war es nicht. Ungeachtet der hinreißenden Stoffe, die mich tagtäglich umgaben und heute Nacht an den Damen um mich her zur Geltung kamen, hatte der Rhythmus der vergangenen Monate nicht gerade zum Verweilen eingeladen. Es war vielmehr, als würden meine beiden Beschäftigungen immer mehr von meiner Zeit auffressen.
    Das Treffen mit Hillgarth vor zwei Monaten, unmittelbar nach meinen Begegnungen mit Beigbeder und Ignacio, markierte einen Wendepunkt in meinem Handeln. Über das erste der beiden Zusammentreffen lieferte ich ihm detailliert Auskunft. Über das zweite verlor ich kein einziges Wort. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte es getan, doch etwas hielt mich davon ab: Scham, Unsicherheit, vielleicht Furcht. Es war mir bewusst, dass Ignacios Auftauchen das Resultat meiner Unvorsichtigkeit gewesen war. Ich hätte den britischen Marineattaché gleich bei meinem ersten Verdacht informieren müssen. Vielleicht hätte ich damit verhindern können, dass ein Mitarbeiter des Innenministeriums sich mühelos Zutritt zu meiner Wohnung verschaffte und mich im Salon sitzend erwartete. Aber jenes Wiedersehen war viel zu persönlich, viel zu emotional und schmerzlich gewesen, als dass es in die nüchternen Schubladen des Secret Service gepasst hätte. Mein Stillschweigen verletzte die Vorgaben, die ich erhalten hatte, und damit verstieß ich gegen die elementarsten Regeln meines Auftrags, sicher. Trotz alledem ging ich das Risiko ein. Im Übrigen war es nicht das erste Mal, dass ich Hillgarth etwas verheimlichte: Ich hatte ihm auch nicht gesagt, dass Doña Manuela Teil meiner Vergangenheit war, zu der ich unter keinen Umständen Kontakt aufnehmen sollte. Glücklicherweise hatte weder die Anstellung meiner alten Lehrmeisterin noch Ignacios Besuch unmittelbare Konsequenzen. Im Atelier erschien niemand mit einem Ausweisungsbefehl, ich wurde auch zu keinem Verhör in irgendeinem finsteren Keller abgeholt und auch nicht mehr von Gestalten in Trenchcoats beschattet. Ob dies endgültig so bleiben würde oder nur vorübergehend war, würde sich noch zeigen.
    Das dringende Treffen, zu dem Hillgarth mich nach Beigbeders Amtsenthebung bestellt hatte, verlief ähnlich neutral wie unsere erste Begegnung, doch sein Interesse, jedes noch so kleine Detail über den Besuch des Obersts bei mir zu erfahren, ließ mich vermuten, dass die Briten wegen dieser Nachricht sehr besorgt waren und sich offensichtlich in hellem Aufruhr befanden.
    Problemlos fand ich die Adresse, zu der er mich bestellt hatte: eine Wohnung im ersten Stock eines altehrwürdigen Gebäudes, allem Anschein nach vollkommen unverdächtig. Gleich nach meinem Klingeln öffnete sich auch schon die Tür, und eine ältere Krankenschwester bat mich herein.
    » Doktor Rico erwartet mich«, sagte ich und folgte damit den Anweisungen, die auf dem Band der Pralinenschachtel zu lesen gewesen waren.
    » Folgen Sie mir bitte.«
    Wie vermutet erwartete mich kein Arzt, sondern ein Engländer mit buschigen Augenbrauen, der für einen ganz besonderen Dienst arbeitete. Obwohl ich ihn bei verschiedenen früheren Gelegenheiten im Embassy auch in seiner blauen Marineuniform gesehen hatte, war er an jenem Tag in Zivil: Er trug einen eleganten grauen Flanellanzug, ein helles Hemd und eine gesprenkelte Krawatte. Abgesehen von der Kleidung wollte sein Erscheinungsbild so gar nicht zu der Praxis passen, die mit den Gegenständen eines

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