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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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kennengelernt hatte.«
    Um jeden Anflug von Melancholie im Keim zu ersticken, unterbrach ich ihn sofort und fragte:
    » Und das dritte Mal?«
    » Das ist erst ein paar Wochen her. Ich fuhr mit Marita durch die Calle Velázquez. Wir hatten bei Freunden zu Mittag gegessen, und ich brachte sie gerade nach Hause, weil Carlos noch etwas erledigen musste. Wir beide sahen dich zur selben Zeit, und zu meiner großen Überraschung deutete sie auf dich und meinte, du seiest ihre neue Schneiderin, du kämst aus Marokko und würdest Arish irgendwas heißen.«
    » Agoriuq. In Wirklichkeit ist es mein alter Nachname, nur rückwärts geschrieben. Quiroga, Agoriuq.«
    » Hört sich gut an. Sollen wir ein Gläschen trinken, Señorita Agoriuq?«, fragte er mit ironischem Unterton.
    Wir verließen die Tanzfläche, nahmen uns zwei Gläser Champagner, die uns ein Kellner auf einem Silbertablett anbot, und suchten uns einen Platz an der Seite, während das Orchester eine Rumba anstimmte und sich die Tanzfläche erneut mit Paaren füllte.
    » Ich nehme an, du legst keinen Wert darauf, dass ich Marita deine wahre Identität und unsere Beziehung zueinander enthülle, oder?«, erkundigte er sich, nachdem wir dem Getümmel entkommen waren. » Wie ich schon sagte, sie ist ein gutes Mädchen, doch Diskretion ist nicht gerade ihre Stärke.«
    » Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du darüber Stillschweigen bewahren könntest. Auf alle Fälle möchte ich dir sagen, dass mein neuer Name amtlich ist und ich einen echten marokkanischen Pass habe.«
    » Ich nehme an, dass es für diese Änderung einen gewichtigen Grund gibt.«
    » Selbstverständlich. Damit wirke ich auf meine Kundschaft exotischer, und gleichzeitig wird so die Polizei nicht auf mich aufmerksam, die sich wegen der Anzeige deines Sohnes für mich interessiert.«
    » Carlos hat Anzeige gegen dich erstattet?« Das Glas, das er gerade zum Mund führen wollte, blieb in der Luft stehen, seine Überraschung wirkte vollkommen echt.
    » Carlos nicht, nein, dein anderer Sohn, Enrique. Kurz vor Ausbruch des Krieges. Er beschuldigt mich, das Geld und die Schmuckstücke, die du mir gegeben hast, gestohlen zu haben.«
    Er lächelte betrübt.
    » Enrique hat man drei Tage nach dem Aufstand getötet. Eine Woche zuvor hatten wir beide einen fürchterlichen Streit. Er war damals sehr stark politisch engagiert und hatte das Gefühl, dass bald etwas passieren würde. Er beharrte darauf, sämtliches Bargeld, allen Schmuck und andere Wertgegenstände aus Spanien hinauszubringen. Da musste ich ihm sagen, dass ich dir einen Teil meines Nachlasses gegeben hatte. Eigentlich hätte ich ja auch schweigen können, aber ich zog es vor, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte von Dolores und mir und habe natürlich auch von dir gesprochen.«
    » Und er hat es nicht gut aufgenommen«, mutmaßte ich.
    » Er hat sich aufgeführt wie ein Irrer und mir alle möglichen Beleidigungen an den Kopf geworfen. Anschließend rief er nach Servanda, dem alten Dienstmädchen, du erinnerst dich, oder? Er fragte sie nach euch aus. Sie erzählte ihm, du seiest mit einem Paket in der Hand hinausgelaufen. Anscheinend hat er sich daraufhin diese lächerliche Geschichte von dem Diebstahl ausgedacht. Nach unserem Streit verließ er das Haus. Das nächste Mal, als ich ihn sah, waren elf Tage vergangen. Er lag im Estadio Metropolitano mit einer Kugel im Kopf.«
    » Das tut mir leid.«
    Resigniert zuckte er mit den Achseln. In seinen Augen sah ich großen Schmerz.
    » Er war aufbrausend und unvernünftig, aber er war mein Sohn. In der letzten Zeit war unsere Beziehung sehr turbulent und unerfreulich. Er gehörte der Falange an, der ich nichts abgewinnen kann. Aus heutiger Sicht war die damalige Falange fast ein Segen. Wenigstens verfolgte sie noch ein paar romantische Ideale und, wenn auch nur bedingt vernünftig, utopische Prinzipien. Ihre Anhänger waren eine Bande verzogener Träumer, die meistens unbeholfen und tollpatschig waren, aber glücklicherweise hatten sie nichts mit den Opportunisten gemein, die heute mit ausgestrecktem Arm lauthals Cara al sol schmettern, als wollten sie den abwesenden Heilsbringer Primo de Rivera herbeisingen. Dabei hatten sie vor dem Krieg noch nicht einmal seinen Namen gehört. Sie sind nur ein Haufen arroganter und skurriler Flegel …«
    Plötzlich kehrte er in die Wirklichkeit der funkelnden und klirrenden Kristallgläser zurück, zu den Klängen der Maracas und Trompeten, zu den

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