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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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aber genauso verschlossen. Auch auf der Straße und vor vielen Gebäuden registrierte ich, dass zunehmend überwacht und kontrolliert wurde, und lernte diejenigen zu erkennen, die damit beauftragt waren. Wortkarge deutsche Hünen, die in ihren fast bodenlangen Mänteln bedrohlich wirkten. Dürre Spanier, die nervös rauchend in Eingangsbereichen, direkt neben einem Lokal oder hinter einem Plakat verborgen herumstanden. Obwohl ich nicht das Zielobjekt war, versuchte ich, sie zu ignorieren, indem ich einfach die Gehrichtung änderte oder die Straßenseite wechselte, sobald sie mir auffielen. Manchmal, wenn ich nicht an ihnen vorbeigehen oder ihren Weg kreuzen wollte, betrat ich irgendein Geschäft oder blieb bei einer Maroniverkäuferin oder vor einem Schaufenster stehen. Bei anderen Gelegenheiten hingegen war es mir nicht möglich, ihnen auszuweichen, weil sie plötzlich vor mir standen und es bereits zu spät war, noch unauffällig die Richtung zu ändern. Für diese Situationen sprach ich mir Mut zu, formulierte innerlich ein » Augen zu und durch«, beschleunigte entschlossen meine Schritte und sah stur geradeaus. Selbstsicher, geistesabwesend, beinahe überheblich, als wäre das, was ich dort in der Hand spazieren trug, ein spontaner Kauf oder ein Schminkköfferchen und nicht eine Sammlung kodifizierter Daten aus den privaten Terminkalendern der wichtigsten Personen des Dritten Reichs in Spanien.
    Auch über das politische Tagesgeschehen hielt ich mich auf dem Laufenden. Wie ich es früher mit Jamila gemacht hatte, schickte ich nun Martina jeden Morgen diverse Tageszeitungen kaufen: Abc, Arriba, El Alcázar. Zum Frühstück, zwischen ein paar Schlucken Milchkaffee, verschlang ich alles Wissenswerte über die Ereignisse in Spanien und Europa. Auf diese Weise erfuhr ich, dass Serrano Suñer zum neuen Außenminister ernannt worden war, und verfolgte sehr genau die Nachrichten zu Francos und seiner Reise nach Hendaye, wo sie sich mit Hitler trafen. Ich las über den sogenannten » Dreimächtepakt« zwischen Deutschland, Italien und Japan, über den Einmarsch der Deutschen in Griechenland und die tausend anderen Ereignisse, die sich in jener bewegten Zeit ereigneten.
    Ich las, nähte und sammelte Informationen. Ich sammelte Informationen, nähte und las. So verlief kurz vor Jahresende jeder meiner Tage. Vielleicht nahm ich deshalb die Einladung zur Silvesterparty im Casino an. Ich brauchte dringend etwas Abwechslung, um meine Anspannung abzubauen.
    Kaum betraten der Bruder und ich den Saal, da kamen Marita und Teté Álvarez-Vicuña auch schon auf uns zu. Wir machten uns gegenseitig Komplimente zu unseren Kleidern und Frisuren, plauderten über Nichtigkeiten und Lappalien. Wie stets ließ ich ein paar arabische Worte fallen und streute dazu eine unechte Bemerkung auf Französisch ein. In der Zwischenzeit sah ich mich verstohlen im Saal um und bemerkte einige vertraute Gesichter, ziemlich viele Uniformen und einige Hakenkreuze. Ich fragte mich, wie viele der Anwesenden hier tatsächlich entspannt unterwegs waren und wie viele aufgeregt und verdeckt ermittelten, so wie ich. Vermutlich nicht wenige. Daher beschloss ich, niemandem zu trauen und auf der Hut zu sein. Vielleicht konnte ich ja etwas für Hillgarth und seine Leute Interessantes in Erfahrung bringen. Während ich in Gedanken diese Überlegungen anstellte, bemühte ich mich gleichzeitig, angeregt der Unterhaltung zu folgen. Meine Gastgeberin Marita wandte sich kurz ab und erschien gleich darauf wieder am Arm eines Mannes, und in diesem Augenblick wusste ich, dass dies eine ganz besondere Nacht werden würde.

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    » Arish, meine Liebe, ich möchte dir meinen zukünftigen Schwiegervater vorstellen, Gonzalo Alvarado. Er wollte dich unbedingt kennenlernen und mit dir über seine Reisen nach Tanger plaudern und dir von seinen Freunden dort erzählen, vielleicht kennst du ja den einen oder anderen.«
    Und da stand er nun, leibhaftig, Gonzalo Alvarado, mein Vater. Er trug einen Frack und hielt ein dickbäuchiges, halb ausgetrunkenes Glas Whisky in der Hand. Unsere Blicke trafen sich, und mir war auf der Stelle klar, dass er nur zu gut wusste, wer ich war. Und dass vermutlich er hinter der Einladung zu diesem Fest steckte. Als er meine Hand ergriff und sie zum Mund führte, um wie ein Gentleman einen angedeuteten Kuss darauf zu hauchen, hätte sich jedoch niemand im Saal träumen lassen, dass die fünf Finger, die er gerade umfasste, seiner eigenen Tochter gehörten.

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