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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Bewegungen der Körper, die im Rhythmus der Musik zu El manisero tanzten. Er kehrte in die Wirklichkeit zurück, und er kehrte zu mir zurück, berührte mich am Arm, streichelte ihn sanft.
    » Entschuldige, manchmal lasse ich mich einfach hinreißen. Ich langweile dich, das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über solche Dinge zu sprechen. Möchtest du tanzen?«
    » Nein danke. Ich möchte lieber weiter mit dir reden.«
    Ein Kellner kam vorbei, und wir stellten die leeren Gläser auf sein Tablett und nahmen uns zwei volle.
    » Wir sprachen gerade darüber, dass Enrique Anzeige gegen dich erstattet hat«, sagte er.
    Ich unterbrach ihn. Zuerst wollte ich etwas wissen, das mir schon die ganze Zeit im Kopf herumging.
    » Bevor du weiterredest, sag mir doch bitte eins: Wo ist deine Frau?«
    » Ich bin Witwer. Und zwar seit kurz vor dem Krieg, gleich nachdem ich dich und deine Mutter getroffen hatte, seit dem Frühjahr 1936. María Luisa war mit ihren Schwestern in Südfrankreich. Eine von ihnen hatte einen Hispano-Suiza und einen Mechaniker, der sich nächtelang in Bars herumtrieb. Eines Morgens holte er die Damen ab, um sie zur Messe zu fahren. Vermutlich hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan, und in einem unbedachten Moment kam er von der Fahrbahn ab. Zwei der Schwestern starben, María Luisa und Concepción. Der Fahrer verlor ein Bein, die dritte Schwester blieb unverletzt. Ironie des Schicksals: Soledad ist die älteste der drei.«
    » Das tut mir sehr leid.«
    » Manchmal denke ich, dass es für sie das Beste war. Sie war sehr ängstlich und überaus schreckhaft. Der kleinste Zwischenfall brachte sie völlig aus dem Konzept. Ich glaube, sie hätte den Krieg nicht durchgestanden, weder in Spanien noch anderswo. Und natürlich hätte sie niemals Enriques Tod verwunden. Vielleicht war es also göttliche Vorsehung, dass sie so früh von uns gegangen ist. Aber jetzt erzähl doch weiter, wir sprachen gerade von der Anzeige. Weißt du, wie die Dinge heute stehen?«
    » Nein. Im September, bevor ich nach Madrid kam, hat der Polizeikommissar von Tetuán ermittelt.«
    » Um dich anzuklagen?«
    » Nein, um mir zu helfen. Comisario Vázquez ist nicht das, was man einen Freund nennt, doch er hat mich stets gut behandelt. Deine Tochter steckte in einigen Schwierigkeiten, weißt du?«
    Der Ton meiner Stimme musste ihm verraten haben, dass das, was ich sagte, ernst gemeint war.
    » Willst du mir davon erzählen? Ich würde dir gerne helfen.«
    » Im Moment ist das nicht nötig, glaube ich, inzwischen ist alles mehr oder weniger in Ordnung, aber danke für das Angebot. Auf alle Fälle hast du recht: Wir sollten uns ein andermal wiedersehen und in aller Ausführlichkeit miteinander reden. In gewisser Weise betreffen dich meine Probleme nämlich auch.«
    » Erzähl.«
    » Den Schmuck deiner Mutter habe ich nicht mehr.«
    Das schien ihn nicht zu erschüttern.
    » Musstest du ihn verkaufen?«
    » Er wurde mir gestohlen.«
    » Und das Geld?«
    » Auch.«
    » Alles?«
    » Bis auf die letzte Pesete.«
    » Wo?«
    » In einem Hotel in Tanger.«
    » Von wem?«
    » Einem Halunken.«
    » Kanntest du ihn?«
    » Ja. Und wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne das Thema wechseln. An einem anderen Tag, mit mehr Ruhe, erzähle ich dir die Einzelheiten.«
    Es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre es Mitternacht. Im Saal erschienen immer mehr Fracks, Galauniformen, Abendkleider und mit kostbarem Schmuck behängte Dekolletés. Die Spanier überwogen auf dem Ball, doch es waren erstaunlich viele Ausländer anwesend. Deutsche, Briten, Amerikaner, Italiener, Japaner: ein Potpourri der in den Krieg verwickelten Länder, gemischt mit honorigen und wohlhabenden Einheimischen, die für einige Stunden der grausamen Zerstörung Europas entkommen wollten und taub waren für das Leid eines vom Krieg ausgelaugten Volkes, das um Mitternacht eines der schlimmsten Jahre seiner Geschichte hinter sich lassen wollte. Überall hörte man Gelächter, und die Paare glitten im Rhythmus der congas und guarachas, die die schwarzen Musiker nicht müde wurden zu spielen, über das Parkett. Die livrierten Lakaien entlang der Treppe begannen, kleine Körbchen mit Trauben zu verteilen, und baten die Gäste, sich auf die Terrasse zu begeben, wo sie mit den Glockenschlägen der Uhr an der Puerta del Sol die Trauben essen würden. Mein Vater reichte mir seinen Arm, und ich hängte mich bei ihm ein. Und obwohl jeder von uns beiden alleine gekommen war, waren wir

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