Das Echo der Traeume
ungeduldig, was er mir in die Hand gelegt hatte: ein Stück Papier, mehrfach zusammengefaltet. Ich versteckte es rasch hinter dem breiten Gürtel meines Kleides, und im selben Moment verabschiedete sich Manuel von seinem Bekannten und kam wieder auf mich zu.
» Gehen wir?«
» Zuvor muss ich mir noch einmal kurz die Nase pudern.«
» Gut, ich warte hier auf dich.«
Auf dem Weg zur Toilette versuchte ich sein Gesicht in der Menschenmenge zu entdecken, doch ich konnte ihn nirgendwo finden. Außer einer alten Frau, einer Schwarzen, die am Eingang wachte und halb zu schlafen schien, war niemand in der Toilette. Ich zog das Papier aus seinem Versteck und faltete es rasch auseinander.
» Wo ist die S. geblieben, die ich in T. gelassen habe?«
S. für Sira und T. für Tetuán. Wo war mein altes Ich aus der Zeit in Nordafrika geblieben, wollte Marcus wissen. Ich öffnete meine Handtasche auf der Suche nach einem Taschentuch und einer Antwort, wobei sich meine Augen mit Tränen füllten. Ersteres fand ich, das Zweite nicht.
56
Am Montag nahm ich meine Einkaufstouren wieder auf. Ich hatte einen Termin bei einem Hutmacher in der Rua da Prata, nur einen Katzensprung von da Silvas Büro entfernt: die perfekte Ausrede, um dort ohne weiteren Grund vorbeizuschauen. Und ganz nebenbei die Augen offen zu halten, wer sich in seinem Territorium so bewegte.
Ich traf nur die unsympathische junge Sekretärin an; Beatriz Oliveira hieß sie, wie ich mich erinnerte.
» Señor da Silva ist verreist. Geschäftlich«, sagte sie, ohne es weiter auszuführen.
Wie bei meinem letzten Besuch gab sie sich auch jetzt keinerlei Mühe, freundlich zu mir zu sein. Doch da dies wahrscheinlich die einzige Gelegenheit bleiben würde, allein mit ihr zu sprechen, wollte ich sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Angesichts ihrer ruppigen Art und ihrer Wortkargheit war es furchtbar schwierig, ihr irgendetwas zu entlocken, was die Mühe gelohnt hätte, aber ich hatte gerade nichts Besseres zu tun und beschloss, es zu versuchen.
» Na, so ein Pech. Ich wollte ihn etwas zu den Stoffen fragen, die er mir neulich gezeigt hat. Sind die noch in seinem Büro?«, erkundigte ich mich. Bei der Aussicht, mich in Manuels Abwesenheit dort aufzuhalten, bekam ich heftiges Herzklopfen, doch sie machte meinen Illusionen ein Ende, bevor sie noch recht Gestalt angenommen hatten.
» Nein. Er hat sie schon zurück ins Lager gebracht.«
Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Erster Versuch gescheitert. Aber so schnell konnte ich nicht aufgeben.
» Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich einen Augenblick hinsetze? Ich bin schon den ganzen Vormittag auf den Beinen, Kappen und Turbane und Strohhüte ansehen. Ich glaube, ich muss mich ein bisschen ausruhen.«
Für eine Antwort ließ ich ihr keine Zeit. Noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, ließ ich mich, übertriebene Müdigkeit heuchelnd, in einen der Ledersessel fallen. Es folgte ein langes Schweigen. In der Zeit prüfte sie mit einem Bleistift ein mehrere Seiten umfassendes Dokument, machte ab und an ein kleines Zeichen oder eine Notiz an den Rand.
» Zigarette?«, fragte ich nach zwei oder drei Minuten. Ich rauchte zwar nicht viel, hatte aber meist eine Schachtel in der Tasche. Um sie in Augenblicken wie diesem zu benutzen.
» Nein danke«, lehnte sie ab, ohne mich anzusehen. Sie arbeitete weiter, während ich mir eine anzündete. Ein paar Minuten lang störte ich sie nicht.
» Sie sind doch diejenige, die für mich die Lieferanten ausgesucht, die Termine gemacht und die Mappe mit den ganzen Angaben vorbereitet hat, oder?«
Jetzt endlich hob sie kurz den Blick.
» Ja, das war ich.«
» Ausgezeichnete Arbeit! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie nützlich mir das gewesen ist.«
Sie nuschelte einen kurzen Dank und widmete sich wieder ihrer Aufgabe.
» Herrn da Silva fehlt es natürlich nicht an Kontakten«, fuhr ich fort. » Es muss toll sein, mit so vielen verschiedenen Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu pflegen. Und vor allem mit so vielen ausländischen. In Spanien ist alles viel langweiliger.«
» Das wundert mich nicht«, murmelte sie.
» Wie bitte?«
» Ich sage, es wundert mich nicht, dass alles langweiliger ist, wenn man bedenkt, wer da regiert«, stieß sie leise zwischen den Zähnen hervor, vermeintlich nach wie vor auf ihre Arbeit konzentriert.
Vor Freude lief mir ein Schauder über den Rücken: Die pflichtbewusste Sekretärin interessierte sich für Politik. Schön, dann musste man
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