Das Echo der Traeume

eine Lösung, die in deiner Lage noch in Betracht käme.«
    » Ich weiß nicht, Candelaria, ich weiß nicht. Das Ganze macht mir große Angst.«
    » Mir auch, ich krieg bei dem bloßen Gedanken daran schon Dünnpfiff! Glaubst du, ich bin aus Stein? In Kriegszeiten anderthalb Dutzend Pistolen zu verschachern ist schon gewagter als meine üblichen Mauscheleien. Doch wir haben keine andere Wahl, meine Kleine.«
    » Und wie wollen wir das anstellen?«
    » Das lass mal meine Sorge sein, ich suche mir schon meine Mittelsmänner. In ein paar Tagen geht die Ware über den Tisch. Und dann suchen wir ein Atelier in Tetuáns bester Lage, richten es ein, und du fängst an.«
    » Wie, ›du fängst an‹? Und Sie? Sind Sie nicht mit mir im Atelier?«
    Sie lachte leise und schüttelte den Kopf.
    » Nein, Mädchen, nein. Ich beschaffe dir das Geld, damit du in den ersten Monaten die Miete und alles Nötige bezahlen kannst. Wenn das Ganze steht, fängst du zu arbeiten an, und ich bleibe hier, in meinem Haus, und warte auf das Monatsende, um den Gewinn mit dir zu teilen. Außerdem ist es nicht gut, wenn man dich mit mir in Verbindung bringt. Ich habe keinen sonderlich guten Ruf und gehöre nicht zu der Sorte reicher Señoras, die wir als Kundinnen brauchen. Ich steuere das Geld bei und du deine geschickten Hände. Anschließend wird geteilt. Das nennt man investieren.«
    Und mit einem Mal war das dunkle Kämmerchen erfüllt von den Erinnerungen an Ramiros Pläne und seine Academia Pitman, und ich fühlte mich in eine Zeit zurückversetzt, die ich nicht noch einmal erleben wollte. Ich verscheuchte die alten Gespenster und wollte weitere Erklärungen.
    » Und wenn ich nichts verdiene? Wenn die Kundinnen ausbleiben?«
    » Tja, dann haben wir’s versaut. Aber nun warte doch erst mal ab, bevor du Asche auf dein Haupt streust, mein kleiner Einfaltspinsel. Man muss doch nicht immer gleich mit dem Schlimmsten rechnen! Lass uns optimistisch sein und in die Sache reinschnuppern! Keiner kann im Voraus all unsere Probleme lösen oder uns vor allem Übel bewahren. Das heißt, entweder kämpfen wir für unser Vorhaben oder uns bleibt kein anderer Ausweg, als unseren Hunger mit Ohrfeigen zu vertreiben.«
    » Aber ich habe dem comisario mein Ehrenwort gegeben, dass ich mich aus allem heraushalte, was nach Ärger riecht.«
    Candelaria musste an sich halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
    » Tja, auch mir hat mein Francisco vor dem Dorfgeistlichen hoch und heilig geschworen, mich bis an mein Lebensende zu achten. Und wie oft hat mich der Sauhund grün und blau geschlagen? Verflucht sei sein Bild! Du kannst doch wahrhaftig nicht nach allem, was dir widerfahren ist, noch immer so naiv sein! Denk an dich, Sira, denk nur an dich und vergiss den Rest. In solch schlimmen Zeiten wie diesen, in denen wir verdammt sind zu leben, gilt stets: fressen oder gefressen werden. Außerdem, so ernst ist die Sache auch nicht: Wir beide haben ja schließlich nicht vor, damit auf irgendjemanden zu schießen. Wir wollen nur etwas verkaufen, was wir nicht brauchen. Sollen die anderen denken, was sie wollen. Wenn alles gut läuft, stößt Don Claudio eines Tages auf dein adrettes, sauberes Modeatelier. Und wenn er dich irgendwann fragen sollte, woher du das Geld hattest, sagst du ihm, dass ich es dir von meinem Ersparten geliehen habe. Wenn er dir nicht glaubt oder ihm die Idee nicht gefällt, hätte er dich bei den barmherzigen Schwestern im Hospital lassen sollen, anstatt dich meiner Obhut zu unterstellen. Er hat immer einen Haufen Probleme und möchte keinen Ärger. Wenn wir ihm alles auf dem Silbertablett servieren, ohne Aufhebens zu machen, wird er nicht weiter herumschnüffeln. Das sage ich dir, und ich kenne ihn wirklich gut, denn wir liefern uns schon seit vielen Jahren ein Kräftemessen. Du kannst deswegen ganz beruhigt sein.«
    Ich kam zu dem Schluss, dass Candelaria mit ihrer unverfrorenen und lebenstüchtigen Art recht hatte. Je mehr wir uns im Kreis drehten, je länger wir das Problem von allen Seiten betrachteten, desto vernünftiger schien dieser unglückselige Plan letztlich zu sein. Er war die Lösung, um die Not zweier armer, alleinstehender und entwurzelter Frauen zu lindern, die in turbulenten Zeiten wie diesen eine kohlrabenschwarze Vergangenheit mit sich herumschleppten. Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit waren schön und gut, doch damit konnte man sich nichts zu essen kaufen, keine Schulden bezahlen, und sie wärmten auch nicht in