Das Echo der Traeume
Augenzwinkern abschwächte, geriet ich gleich in Panik. Der bohrende Blick, mit dem comisario Vázquez mich gemustert hatte, und seine ernsten Warnungen waren mir nur zu gut in Erinnerung geblieben. » Halten Sie sich aus allem raus, was Ärger bedeuten könnte, versuchen Sie nicht, mich hinters Licht zu führen, machen Sie ja keinen Unsinn!« Aus seinen Worten war ein ganzer Katalog unerfreulicher Dinge entstanden. Kommissariat, Frauengefängnis. Diebstahl, Erpressung, Schulden, Anklage, Gericht. Und nun, als sei das nicht genug, kam noch der Verkauf von Waffen dazu.
» Lassen Sie bloß die Finger davon, Candelaria, das ist viel zu gefährlich«, flehte ich sie, halb tot vor Angst, an.
» Und was machen wir dann?«, erkundigte sie sich energisch flüsternd. » Von Luft und Liebe leben? Nasenpopel futtern? Du bist hier ohne einen céntimo in der Tasche aufgetaucht, und ich weiß nicht, wo ich noch Geld herbekommen soll. Von den anderen Gästen zahlen nur die Witwe, der Lehrer und der Postbeamte. Warten wir ab, wie lange sie das bisschen Geld, das sie noch haben, strecken können. Die anderen drei und du, ihr liegt mir ohnehin nur auf der Tasche, doch ich kann euch nicht auf die Straße setzen. Die einen nicht, weil sie mir leidtun, und dich nicht, weil es mir gerade noch gefehlt hätte, dass mir Don Claudio im Nacken sitzt und Fragen stellt. Also sagst du mir jetzt, wie ich es anstellen soll.«
» Ich könnte doch einfach weiternähen wie bisher. Ich werde mehr arbeiten, und falls nötig, arbeite ich sogar die Nächte durch. Wir teilen meinen Verdienst unter uns beiden auf …«
» Wie viel ist das denn? Was meinst du, was du für die Fetzen, die du für die Nachbarinnen nähst, bekommen wirst? Wie viele lumpige Kröten springen dabei heraus? Hast du schon vergessen, was du in Tanger schuldig geblieben bist? Gedenkst du, den Rest deines Lebens in dieser Kammer zu verbringen?« Die Worte sprudelten aus ihrem Mund wie ein Wasserfall. » Hör mal, Mädchen, deine Hände sind Gold wert, ein Schatz, wie man ihn weit und breit nicht findet, und es käme einer Sünde gleich, wenn du davon keinen Gebrauch machen würdest. Ich weiß, du hast in deinem Leben schon einiges einstecken müssen, dein Verlobter hat dich sitzen lassen, du bist in einer Stadt, in der du nicht sein willst, fern deiner Familie, fern deiner Heimat. Aber so ist es nun mal, das Vergangene ist vergangen, und die Zeit lässt sich eben nicht zurückdrehen. Du musst nach vorne schauen, Sira. Du musst stark sein, etwas riskieren und für dich einstehen. Bei dem Schicksalsschlag, den du erlitten hast, wird kein netter Herr des Weges kommen, an deine Tür klopfen und dir eine Wohnung einrichten. Außerdem denke ich, dass du nach ebendieser Erfahrung auch nicht wild darauf bist, wieder von einem Mann abhängig zu sein. Du bist noch sehr jung, und in deinem Alter solltest du danach streben, dir ein neues Leben aufzubauen. Vergeude deine besten Jahre nicht damit, Säume aufzutrennen und dich nach dem zu verzehren, was du verloren hast.«
» Aber wegen der Pistolen, Candelaria, ihrem Verkauf …«, flüsterte ich ängstlich.
» Es ist, wie es ist, Kind. Sie sind das Einzige, was wir haben, und ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich versuchen werde, so viel wie möglich herauszuschlagen. Was glaubst du? Mir wäre es auch lieber, wenn der Kerl mir etwas Spannenderes als Waffen dagelassen hätte, eine Ladung Schweizer Uhren zum Beispiel oder hauchdünne Seidenstrümpfe. Aber das Einzige, was uns zur Verfügung steht, sind seine Waffen, und da wir uns gerade im Krieg befinden, könnte es sein, dass sich ein paar Leute dafür interessieren und sie kaufen wollen.«
» Aber wenn Sie erwischt werden?«, fragte ich unsicher.
» Schon wieder die alte Leier! Wenn sie mich schnappen, beten wir zum Herrgott, dass Don Claudio sich unserer erbarmt. Dann essen wir unsere Mahlzeiten eben eine Zeitlang im Knast und basta! Was soll’s? Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass dir weniger als zehn Monate bleiben, um deine Schulden zu begleichen. Aber bei deinem Tempo bist du sie in zwanzig Jahren noch nicht los, wenn du weiter für unsere Nachbarinnen nähst. Also, wie ehrenwert du auch sein magst, mit deiner Einstellung landest du auf jeden Fall im Knast, und da wird dir der heilige Leonhard auch nicht mehr helfen können. Entweder ab ins Gefängnis, oder du machst in irgendeinem billigen Bordell für die Soldaten die Beine breit … Das wäre auch
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