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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Winternächten. Moralische Prinzipien und ein tadelloses Benehmen waren etwas für andere, nichts für zwei unglückliche Frauen mit gebrochenem Herzen wie uns beide. Ich brachte kein Wort heraus, was Candelaria als Zustimmung auslegte.
    » Und nun? Kann ich morgen anfangen, die Ware auf den Markt zu bringen?«
    Ich fühlte mich, als tanzte ich mit verbundenen Augen am Rande eines Abgrunds. In der Ferne hörte ich das Rauschen des Radios, aus dem noch immer die raue Stimme des Generals dröhnte. Ich seufzte aus tiefstem Herzen. Als ich antwortete, klang meine Stimme endlich tief und sicher. Fast.
    » Lass es uns wagen!«
    Zufrieden kniff mich meine zukünftige Geschäftspartnerin in die Wange und lächelte. Dann machte sie sich für den Rückweg bereit. Sie nestelte an ihrem Morgenmantel, hievte ihren korpulenten Leib in die verschlissenen Pantoffeln, die sie vermutlich schon ihr halbes Dasein als Überlebenskünstlerin begleiteten. Candelaria – die Schmugglerin, die Opportunistin, die Streitlustige, die Unverschämte und die Herzensgute – stand schon in der Tür, als ich ihr mit gedämpfter Stimme eine letzte Frage stellte. Diese hatte mit der Angelegenheit, über die wir in jener Nacht gesprochen hatten, eigentlich nichts zu tun, aber ich war in gewisser Weise neugierig zu erfahren, was sie wohl antworten würde.
    » Candelaria, auf wessen Seite stehen Sie eigentlich in diesem Krieg?«
    Überrascht drehte sie sich um, doch ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
    » Ich? Ich stehe voll und ganz hinter dem Sieger, Herzchen.«

10
    Auf die Nacht, in der sie mir die Pistolen gezeigt hatte, folgten schreckliche Tage. Candelaria war ununterbrochen in Bewegung wie eine Schlange, wenngleich eine recht beleibte und keineswegs lautlose. Sie ging, ohne ein Wort zu sagen, von ihrem Zimmer in das meine, vom Esszimmer auf die Straße, von der Straße in die Küche, immer in Eile, konzentriert, eine wirre Litanei aus Grunz- und Brummlauten murmelnd, die niemand zu entschlüsseln wusste. Ich vermied es tunlichst, ihr bei ihren Wanderungen in die Quere zu kommen, und erkundigte mich auch nicht nach dem Stand der Dinge. Ich wusste, wenn es so weit war, würde sie mich schon einweihen.
    Es verging fast eine Woche, bis sie endlich etwas Neues vermelden konnte. An jenem Tag kam sie erst nach neun Uhr abends zurück, als wir schon alle bei Tisch vor leeren Tellern saßen und auf sie warteten. Das Abendessen verlief wie immer stürmisch. Anschließend begannen wir, während sich die Pensionsgäste zerstreuten, um sich den letzten Beschäftigungen des Tages zu widmen, gemeinsam den Tisch abzuräumen. Und während wir schmutziges Geschirr, Besteck und Servietten in die Küche trugen, eröffnete sie mir im Flüsterton, dass ihr Vorhaben sich nun konkretisiere: » Diese Nacht geht das Geschäft über die Bühne, meine Kleine. Gleich morgen früh kümmern wir uns um deine Sache. Was bin ich froh, Herzchen, dass dieser Zirkus, verflucht noch mal, ein Ende hat!«
    Als wir die Hausarbeit erledigt hatten, verschwand jede sofort in ihrem Zimmer und schloss sich dort ein, ohne dass wir noch ein Wort gewechselt hätten. Der Rest der Truppe beschloss den Tag unterdessen mit den gewohnten Verrichtungen: Eukalyptus gurgeln, Radio hören, vor dem Spiegel die Haare auf Lockenwickler drehen oder zum Café spazieren. In der Absicht, Normalität vorzutäuschen, rief ich noch laut und vernehmlich » Gute Nacht!« und legte mich dann ins Bett. Ich blieb noch eine Weile wach, bis langsam Stille im Haus einkehrte. Das Letzte, was ich hörte, war Candelaria, wie sie ihr Zimmer verließ und dann fast geräuschlos die Tür zur Straße schloss.
    Wenige Minuten nach ihrem Fortgang schlief ich ein. Zum ersten Mal seit Tagen wälzte ich mich nicht unruhig hin und her, und auch die dunklen Vorahnungen der vergangenen Nächte krochen nicht mehr zu mir unter die Decke: Gefängnis, comisario, Verhaftungen, Tote. Es schien, als hätte meine Nervosität beschlossen, mir endlich eine Atempause zu gönnen, nun, da jenes verhängnisvolle Geschäft kurz vor seinem Abschluss stand. Ich überließ mich dem Schlaf in dem angenehmen Gefühl, dass wir am nächsten Morgen mit der Planung der Zukunft beginnen würden, ohne dass der schwarze Schatten der Pistolen über unseren Köpfen schwebte.
    Doch mit der Nachtruhe war es bald vorbei. Ich weiß nicht, wie spät es war, zwei, drei Uhr vielleicht, als mich eine Hand an der Schulter packte und energisch rüttelte.
    »

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