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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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während er die Tür hinter sich schloss.
    Rasch ließ ich den Haik zu Boden gleiten und hielt die Arme über Kreuz hoch, damit der mir völlig fremde Mann mich an verborgenen Stellen berühren, die fest verknoteten Bandagen lösen und mich endlich daraus befreien konnte.
    Doch ehe er anfing, schob er die Kapuze seiner Dschellaba nach hinten, und das ernste und schön geschnittene Gesicht eines Spaniers mittleren Alters kam zum Vorschein, der sich schon einige Tage nicht mehr rasiert hatte. Sein lockiges kastanienbraunes Haar war völlig zerzaust. Er machte sich ans Werk, aber es war nicht einfach, denn Candelaria hatte gute Arbeit geleistet. Nicht eine einzige Waffe war verrutscht. Doch die Knoten waren so fest und die Stoffbandagen schier endlos, sodass es deutlich länger brauchte, das Ganze wieder abzuwickeln, als dem Unbekannten und mir lieb war. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. Nur unsere gleichmäßigen Atemzüge und die eine oder andere Äußerung zum Stand der Dinge – gleich hab ich’s, jetzt da, ein bisschen mehr nach rechts, so geht’s, den Arm ein bisschen höher, Vorsicht – waren in unserer weiß gekachelten Kabine zu hören. Trotz der Zeitnot arbeitete der Mann aus Larache mit großem Feingefühl, ja, beinahe schamhaft. Er vermied es – so gut es eben ging –, mich an den intimsten Stellen oder meine nackte Haut mehr als unbedingt nötig zu berühren. Als fürchtete er, meine Sittsamkeit mit seinen Händen zu beschmutzen. Als wäre die Last, die ich an meinem Körper trug, eine zarte Hülle aus Seidenpapier und nicht eine schwarze Panzerung aus Waffen, die Leben vernichten konnten. Zu keiner Zeit fühlte ich mich durch seine Anwesenheit belästigt, weder durch seine ungewollten Liebkosungen noch durch die körperliche Nähe unserer Leiber, die förmlich aneinanderklebten. Das war mit Abstand der schönste Moment jener Nacht. Nicht, weil seit Monaten mich die Hand eines Mannes berührte, sondern weil ich dachte, dass damit der Anfang vom Ende dieser Unternehmung gekommen sei.
    Allmählich spielte sich alles ein. Eine Pistole nach der anderen wurde aus ihrem Versteck geholt und auf dem Boden zu einem Haufen gestapelt. Es waren nicht mehr viele übrig, drei oder vier, mehr nicht. Ich schätzte, wir würden noch fünf, höchstens zehn Minuten brauchen, dann wäre alles vorbei. Doch plötzlich wurde die nächtliche Stille gestört. Erschrocken hielten wir beide den Atem an und erstarrten förmlich. Von draußen, aus der Ferne, drangen Geräusche an unser Ohr, die nach hektischer Betriebsamkeit klangen.
    Der Mann holte tief Luft und zog eine Taschenuhr hervor.
    » Das ist schon die Wachablösung. Die Kerle sind zu früh dran«, erklärte er. In seiner brüchigen Stimme schwang Angst mit, Beunruhigung und der feste Wille, mich nichts von alledem spüren zu lassen.
    » Was sollen wir jetzt tun?«, fragte ich flüsternd.
    » So schnell wie möglich verschwinden«, sagte er sofort. » Ziehen Sie sich an, schnell!«
    » Und die restlichen Pistolen?«
    » Egal. Wir müssen uns schleunigst aus dem Staub machen. Die Soldaten werden auf jeden Fall hier hereinkommen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.«
    Während ich mich mit zitternden Händen in den Umhang hüllte, schnürte er eine schmutzige Stofftasche auf und warf die Pistolen hinein.
    » Wohin?«, fragte ich leise.
    » Da lang«, meinte er und deutete mit dem Kopf in Richtung Fenster. » Zuerst klettern Sie hinaus, dann werfe ich Ihnen die Tasche mit den Pistolen zu und komme nach. Aber hören Sie: Wenn ich es nicht schaffen sollte, schnappen Sie sich die Dinger, laufen an den Gleisen entlang und lassen sie am ersten Schild, auf dem eine Station oder ein Bahnhof angekündigt wird, liegen. Jemand wird kommen und sie holen. Sehen Sie sich bloß nicht um, und warten Sie nicht auf mich! Rennen Sie einfach so schnell Sie können und versuchen Sie zu entkommen! Los, steigen Sie mit einem Fuß in meine Hände.«
    Ich sah nach oben zu dem kleinen, schmalen Fenster. Dass wir da durchpassen sollten, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, aber ich sagte nichts. Starr vor Schreck gehorchte ich einfach und vertraute blind den Entscheidungen jenes Freimaurers, dessen Name ich nicht mal kannte.
    » Warten Sie einen Moment«, meinte er plötzlich, als hätte er etwas vergessen.
    Mit einem Ruck öffnete er sein Hemd. Darunter kam ein kleiner Stoffbeutel zum Vorschein.
    » Passen Sie gut darauf auf! Es ist die ausgemachte Summe. Falls sich die

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