Das Echo der Traeume
heruntergerissen.
Niemand schien es merkwürdig zu finden, dass eine Araberin um diese Zeit das Haus betrat – wahrscheinlich hielten sie mich für Jamila. Noch immer in den Haik gehüllt blieb ich kurz stehen, um die Szenerie zu betrachten, bis ein gellender Pfiff aus dem Flur meine Aufmerksamkeit erregte. Ich drehte mich um und entdeckte Candelaria, die wie eine Verrückte mit den Armen ruderte, wobei sie in der einen Hand einen Besen und in der anderen ein Kehrblech hielt.
» Komm, tritt ein, meine Kleine«, befahl sie mir ganz aufgeregt. » Tritt ein und erzähl! Ich war fast halbtot vor Angst, weil ich nicht wusste, was passiert ist.«
Ich hatte beschlossen, die beunruhigendsten Details für mich zu behalten und ihr lediglich das Endergebnis zu präsentieren. Dass ich die Pistolen nicht mehr hatte, dafür aber das Geld. Denn das war es, was Candelaria hören wollte, und das würde ich ihr auch erzählen. Über den Rest der Geschichte aber würde ich kein Sterbenswörtchen verlieren.
Während ich mir die Kapuze vom Kopf zog, flüsterte ich:
» Es ist alles gut gegangen.«
» Ach, komm her, Herzchen, und lass dich umarmen! Ah, meine Sira, du bist tausendmal mehr wert als alles Gold von Peru, du bist ein Schatz! Gelobt sei der Tag des Herrn!«, jubilierte die Schmugglerin. Sie ließ alles stehen und liegen, drückte mich überschwänglich an ihren üppigen Busen und küsste mich laut schmatzend ab.
» Um Gottes willen, Candelaria, seien Sie bloß still! Nicht so laut, sonst hören sie uns noch«, forderte ich sie ängstlich auf, da mir die Furcht noch im Nacken saß. Weit davon entfernt, meinen Einwand zu beachten, stieß sie Verwünschungen gegen den Polizisten aus, der letzte Nacht ihr Haus auf den Kopf gestellt hatte.
» Und, was macht das schon? Der Teufel soll ihn holen, diesen elenden Palomares, ihn und seine ganze Sippschaft! Zur Hölle mit ihm! So leicht kriegst du mich nicht, da musst du schon früher aufstehen!«
Da mir allmählich dämmerte, dass es mit diesem Wutausbruch nach einer solch aufregenden Nacht nicht getan sein würde, packte ich Candelaria am Arm und zerrte sie auf mein Zimmer, während sie unablässig weiterschimpfte.
» Dir sollte man einen rostigen Dolch zwischen die Rippen stoßen, elender Hurensohn! Zum Teufel mit dir, Palomares! Nichts, rein gar nichts hast du in meinem Haus gefunden, obwohl du wirklich jedes Möbelstück umgeworfen und jede Matratze aufgeschnitten hast!«
» Pst, so seien Sie doch endlich still, Candelaria«, bat ich sie flehend. » Vergessen Sie diesen Palomares, beruhigen Sie sich und lassen Sie mich erzählen!«
» Ja, Mädchen, ja, erzähl mir alles haarklein«, sagte sie und versuchte endlich, ihre Wut zu beherrschen. Sie atmete schwer. Ihr Morgenmantel war nicht richtig zu, und unter ihrem Haarnetz lugten ein paar vorwitzige Strähnen hervor. Sie bot einen jämmerlichen Anblick, doch auch jetzt noch strahlte sie Zuversicht aus. » Ich rege mich ja auch nur so auf, weil dieser wild gewordene Esel um fünf Uhr morgens hier aufgetaucht ist und uns alle auf die Straße gescheucht hat, der Schuft, weil … weil … Ach, vergessen wir das! Was passiert ist, ist passiert, Schwamm drüber. Jetzt erzähl aber, meine Kleine, erzähl mir alles in aller Ruhe.«
Während ich aus dem Beutel, den der Mann aus Larache mir umgehängt hatte, das Geld hervorholte, berichtete ich in knappen Worten von meinem Abenteuer. Mit keinem Wort erwähnte ich meine Flucht durch das Fenster oder die drohenden Rufe des Soldaten. Und ich sagte auch nichts von den Pistolen, die ich neben dem einsamen Haltestellenschild von Malalien verscharrt hatte. Ich überbrachte ihr lediglich den Inhalt des Beutels. Dann begann ich einfach, den Haik und das Nachthemd darunter auszuziehen.
» Du sollst verrotten, Palomares!«, rief sie, während sie aus vollem Halse lachte und dazu Geldscheine in die Luft warf. » Mögest du in der Hölle schmoren, mich hast du nicht gekriegt!«
Doch auf einmal verstummte sie, und zwar nicht, weil sie zur Besinnung gekommen wäre, sondern weil das, was sich ihren Augen bot, ihr Freudengeheul verstummen ließ.
» Aber was haben sie denn mit dir angestellt, Mädchen? Du siehst aus, als hätte man dich ans Kreuz geschlagen!«, schrie sie entsetzt, während sie meinen nackten Leib betrachtete. » Tut es sehr weh, meine Kleine?«
» Ein bisschen«, murmelte ich und sank dabei wie ein nasser Sack aufs Bett. Das war gelogen. In Wahrheit spürte ich jeden einzelnen
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