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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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ergriff.
    Zurück ließ ich das Freudenhaus voller Soldaten, die Karten spielten, Lieder grölten und gierig die Frauen betatschten. Für den Moment waren sie der Gewissheit entronnen, dass sie schon bald die Meerenge überqueren würden, um sich der makaberen Realität des Kriegs zu stellen. Und während ich mich bemühte, diese Lasterhöhle möglichst schnell hinter mir zu lassen – so schnell es mit meinen Schlappen eben ging –, war mir das Glück auf einmal hold. Denn als ich keuchend um die nächste Ecke bog, stieß ich auf den Platz Zoco el Foki.
    Mit Erleichterung stellte ich fest, dass ich mich wieder zurechtfand. Endlich wusste ich, wie ich dem Käfig entfliehen konnte, zu dem die Altstadt für mich geworden war. Die Zeit verging wie im Flug, und ich musste mich sputen. Ich schritt rasch aus – soweit das in meiner Rüstung eben möglich war – und erreichte in wenigen Minuten die Puerta de La Luneta. Dort erwartete mich jedoch schon die nächste böse Überraschung. Direkt an dieser Stelle befand sich nämlich einer der gefürchteten Militärposten, der schon den Männern aus Larache den Zugang nach Tetuán unmöglich gemacht hatte. Eine Handvoll Soldaten, Absperrungen und zwei Fahrzeuge – das genügte, um jeden einzuschüchtern, der mit nicht ganz sauberen Absichten in die Stadt hineinwollte. Bei dem Gedanken, dass ich wohl oder übel an ihnen vorbeimusste, wurde mir ganz flau im Magen. Ich konnte unmöglich einfach stehen bleiben und nachdenken. So setzte ich also, den Blick fest auf den Boden geheftet, meinen Weg in dem von Candelaria empfohlenen schleppenden Gang fort. Als ich den Kontrollpunkt passierte, schlug mir das Herz bis zum Hals und ich hielt ängstlich den Atem an, jeden Augenblick damit rechnend, dass sie mich anhalten und fragen würden, wohin ich denn wolle, wer ich sei, was ich zu verbergen hätte. Zu meinem Glück schauten sie mich nicht einmal an. Sie beachteten mich überhaupt nicht, ebenso wenig wie es zuvor die Offiziere getan hatten. Welche Gefahr für den glorreichen Aufstand konnte schon von einer Marokkanerin ausgehen, die mit kraftlosen Schritten bei Tagesanbruch wie ein Schatten durch die Straßen schlich?
    Ich stieg hinunter in den offen zugänglichen Teil des Parks, doch zuvor zwang ich mich, erst einmal tief durchzuatmen. Äußerlich ruhig ging ich nun durch die Anlagen voller schlafender Schatten. Diese Stille stand in merkwürdigem Kontrast zum Tag: keine tobenden Kinder, keine Paare, keine Alten, die sich im Sonnenschein hier zwischen Brunnen und Palmen normalerweise aufhielten. Mit jedem weiteren Schritt, den ich tat, konnte ich den Bahnhof deutlicher erkennen. Verglichen mit den niedrigen Häusern der Altstadt wirkte das halb im maurischen, halb im andalusischen Stil gehaltene Gebäude mit seinen Ecktürmchen, seinen grünen Dachziegeln und Kacheln und den gewaltigen Bögen an der Stirnseite sehr beeindruckend, ja beinahe beunruhigend. Mehrere schwache Laternen beleuchteten die Fassade und ließen im Hintergrund die Silhouette des massigen Gorgues erkennen, jenes felsigen und eindrucksvollen Berges, über den die Männer aus Larache vermutlich gekommen waren. Nur einmal hatte ich bisher den Bahnhof von Nahem gesehen, und zwar als der comisario mich mit dem Auto zur Pension fuhr. Die anderen Male hatte ich ihn lediglich aus der Ferne betrachtet, von der Dachterrasse der Pension aus. Doch ich hätte nie gedacht, dass er so gewaltig sei. Als ich in jener Nacht vor dem Gebäude stand, erschien es mir derart riesig und bedrohlich, dass ich mich sofort in die heimelige Enge der Altstadtgassen zurücksehnte.
    Aber es war nicht der geeignete Moment, um mich von meinen Ängsten überwältigen zu lassen. Also nahm ich all meinen Schneid zusammen und überquerte die Straße nach Ceuta, auf der sich zu dieser frühen Stunde nicht einmal ein Staubkorn regte. Ich versuchte, mir Mut zu machen, überlegte, ob die Zeit noch reichen würde, und sagte mir, dass schon bald alles vorüber wäre und ich bereits den größten Teil hinter mir hätte. Der Gedanke, dass ich demnächst die festgezurrten Stoffstreifen würde lösen können, die mich drückenden Pistolen und endlich auch den Umhang, in dem ich mich mehr als seltsam fühlte, wieder loswerden würde – all das gab mir die nötige Kraft. Bald wäre es so weit, sehr bald.
    Ich betrat den Bahnhof durch den Haupteingang, dessen Pforten sperrangelweit offen standen. Grelles Licht empfing mich in der leeren Haupthalle. Das Erste,

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