Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
Vom Netzwerk:
geringsten Spannungen gegeben. » Möchtest du heute Nachmittag eine heiße Schokolade, Mamá, oder hast du eher Appetit auf ein Stück Fleisch?« » Wie du möchtest, Félix, mein Lieber, du triffst immer eine gute Wahl für mich.« » Los, komm, beeilen wir uns, wir müssen María Angustias unser Beileid aussprechen, es heißt, ihr Neffe ist in der Schlacht von Jarama gefallen.« » Ach, wie traurig, mein Engel. Zum Glück haben sie dich als Sohn einer Witwe nicht zum Militärdienst einberufen. Was hätte ich getan, Heilige Mutter Gottes, hier ganz allein, und du, mein Kind, an der Front.«
    Félix war klug genug zu wissen, dass diese Beziehung etwas Anomales, etwas Krankhaftes hatte, doch nicht mutig genug, einen Schlussstrich zu ziehen. Vielleicht flüchtete er deshalb aus seiner jämmerlichen Realität, indem er seine Mutter nach und nach unter Alkohol setzte, sich wie ein Vampir im Morgengrauen davonstahl oder sich über sein Schicksal mokierte, für das er tausend lächerliche Gründe verantwortlich machte, und die unsinnigsten Überlegungen anstellte, wie dem Ganzen abzuhelfen wäre. Eine seiner Vergnügungen bestand darin, hingestreckt auf dem Sofa in meinem Salon in den Zeitungen nach sonderbaren Anzeigen zu stöbern, während ich eine Manschette fertigstellte oder das vorletzte Knopfloch des Tages nähte.
    Und dann gab er Sachen wie diese zum Besten:
    » Glaubst du, die Wutausbrüche meiner Mutter haben etwas mit den Nerven zu tun? Vielleicht ist das hier die Lösung. Hör zu: › Nervional. Weckt den Appetit, fördert die Verdauung, sorgt für regelmäßigen Stuhlgang. Lässt Überspanntheit und Niedergeschlagenheit verschwinden. Vertrauen Sie auf Nervional.‹«
    Oder auch:
    » Also, ich glaube, es ist ein Leistenbruch bei Mamá. Ich habe schon daran gedacht, ihr ein Bruchband zu schenken, vielleicht fährt sie deswegen so leicht aus der Haut, aber hör mal, was hier steht: › Lieber Bruch-Patient, ersparen Sie sich alle Risiken und Beschwerden einer Operation mit der unübertrefflichen und neuartigen mechanischen Kompressionsstütze, dem wissenschaftlichen Wunderwerk, das Ihrem Leiden ohne lästige Gurte und andere störende Teile ein Ende macht.‹ Vielleicht funktioniert es. Was meinst du, meine Liebe, soll ich ihr eine kaufen?«
    Oder vielleicht:
    » Und wenn sie am Ende was mit dem Blut hat? Hör mal, was hier steht. › Blutreinigungsmittel Richelet. Bei Durchblutungsstörungen, Krampfadern und Knoten. Verbessert schlechtes Blut. Wirksam gegen Harngifte.‹«
    Oder irgendein Unfug dieser Art:
    » Und wenn es Hämorrhoiden sind? Und wenn sie ein Augenleiden hat? Und wenn ich im maurischen Viertel einen Wunderheiler suche? Wahrscheinlich brauche ich mir gar keine so großen Umstände zu machen, denn ich bin sicher, dass ihre darwinsche Vorliebe ihr die Leber zerfressen und ihr demnächst den Garaus machen wird. Eine Flasche reicht bei ihr nicht mal mehr ein paar Tage, die Alte reißt mir ein Loch in den Geldbeutel.« Er hielt inne mit seiner Tirade, vielleicht erwartete er eine Antwort von mir, doch er bekam sie nicht. Oder zumindest nicht mit Worten. » Warum machst du ein solches Gesicht, Kleine?«, fügte er dann hinzu.
    » Weil ich nicht weiß, wovon du redest, Félix.«
    » Du weißt nicht, was ich mit darwinscher Vorliebe meine? Kennst du denn auch Darwin nicht? Das ist der mit den Affen, der mit der Theorie, dass der Mensch von Primaten abstammt. Wenn ich sage, dass meine Mutter eine darwinsche Vorliebe hat, dann deshalb, da sie verrückt ist nach diesem Anislikör mit dem Affen auf dem Etikett, verstehst du? Ach, Mädchen, du hast ein göttliches Stilgefühl und nähst wie ein Engel, aber sonst hast du in Sachen Kultur nicht viel Ahnung, oder?«
    Da hatte er sicher recht. Ich wusste, dass ich eine schnelle Auffassungsgabe hatte und mir Daten und Fakten gut merken konnte, allerdings war ich mir auch meiner Bildungslücken bewusst. Meine Kenntnis von Dingen, die damals in Enzyklopädien standen, war äußerst gering. Ich konnte die Namen einer Handvoll Könige auswendig hersagen und wusste, dass Spanien im Norden vom kantabrischen Meer begrenzt wird und die Pyrenäen unser Land von Frankreich trennen. Ich konnte das Einmaleins herunterrattern und auch im Alltag recht schnell rechnen, doch ich hatte in meinem ganzen Leben noch kein einziges Buch gelesen und von Geschichte, Geografie, Kunst oder Politik wusste ich nicht viel mehr, als ich während der Monate meines Zusammenlebens mit Ramiro

Weitere Kostenlose Bücher