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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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nicht besonders anstrengen: drei oder vier Posen, ein paar wohlgesetzte Korrekturen und eine Handvoll Empfehlungen meines ganz persönlichen Pygmalion genügten, und innerhalb weniger Monate sorgte mein noch ziemlich kleiner Kundenkreis dafür, dass ich recht gut leben konnte.
    Für das handverlesene Grüppchen von Señoras, die innerhalb jener Welt der Exilanten meinen Kundenkreis bildeten, galt ich als junge Haute-Couture-Schneiderin, Tochter eines bankrotten Millionärs, Verlobte eines überaus gut aussehenden Aristokraten mit einem leichten Hang zum Verführer und Abenteurer. Angeblich hatten wir in verschiedenen Ländern gelebt und uns wegen der politisch unsicheren Lage gezwungen gesehen, unsere Häuser und Geschäfte in Madrid zu schließen. Gegenwärtig befand sich mein Verlobter in Argentinien, wo er mehrere florierende Unternehmen leitete. Ich wartete in der Hauptstadt des Protektorats, das man mir wegen des für meine schwache Gesundheit sehr günstigen Klimas empfohlen hatte, auf seine Rückkehr. Da ich immer ein so aufregendes, mondänes und ereignisreiches Leben geführt hatte, sah ich mich außerstande, nur tatenlos herumzusitzen, und hatte deshalb beschlossen, in Tetuán ein kleines Atelier zu eröffnen. Eigentlich nur zum Zeitvertreib. Deshalb verlangte ich auch keine astronomischen Preise und nahm Aufträge aller Art an. Ich unternahm nicht das Geringste, um das Bild, das man sich dank der pittoresken Andeutungen meines Freundes Félix von meiner Person gemacht hatte, zu korrigieren. Doch ich schmückte es auch nicht weiter aus. Ich beschränkte mich darauf, alles in der Schwebe zu lassen und dem Geheimnis Nahrung zu geben, indem ich mich noch mysteriöser gab: ein ausgezeichnetes Mittel, um das Interesse der Menschen anzufachen und neue Kundinnen zu gewinnen. Wenn mich die anderen Näherinnen von Doña Manuelas Schneiderei gesehen hätten, die Nachbarinnen von der Plaza de la Paja, meine Mutter! Meine Mutter! Ich bemühte mich, so wenig wie möglich an sie zu denken, aber die Erinnerung an sie bedrängte mich ununterbrochen und mit aller Macht. Ich wusste, dass sie stark und tüchtig war, dass sie allen Widrigkeiten zu trotzen wüsste. Dennoch sehnte ich mich danach, von ihr zu hören, zu erfahren, wie sie ihren Alltag bewältigte, wie sie ganz allein und ohne festes Einkommen über die Runden kam. Ich hätte sie so gerne wissen lassen, dass es mir gut ging, dass ich wieder allein war und wieder schneiderte. Das Radio versorgte mich mit Informationen, und Jamila ging jeden Morgen zum Tabakladen Alcaraz, um die Gaceta de África zu kaufen. Ein zweites siegreiches Jahr unter Francos Ägide, hieß es bereits auf den Titelblättern. Obwohl alle aktuellen Nachrichten durch die Nationalisten geschönt wurden, war ich über die Lage in Madrid und den hartnäckigen Widerstand, den man dort leistete, mehr oder weniger im Bilde. Angesichts dieser Umstände war ein direkter Briefkontakt mit meiner Mutter nach wie vor unmöglich. Wie sehr ich sie vermisste! Was hätte ich darum gegeben, alles in dieser fremden, hellen Stadt mit ihr teilen zu können, mit ihr gemeinsam das Modeatelier einzurichten, wieder ihre Eintöpfe zu essen und ihre immer so treffenden Sprüche zu hören. Doch Dolores war nicht hier, ich dagegen schon. Unter unbekannten Menschen, ohne in meine Heimat zurückkehren zu können, ums Überleben kämpfend, während ich mir eine hochstaplerische Existenz erfand, auf der ich jeden Morgen, wenn ich aufstand, mein Leben gründete. Ich tat alles dafür, dass niemand erfuhr, dass ein skrupelloser Lebemann mir das Herz gebrochen hatte und ich mein Atelier und so mein täglich Brot einem Haufen Pistolen verdankte.
    Oft dachte ich auch an Ignacio, meinen ersten Freund. Seine körperliche Nähe vermisste ich nicht. Ramiros Ausstrahlung war so unglaublich stark gewesen, dass Ignacios Präsenz, so sanft, so unbeschwert, mir bereits ganz fern und verschwommen erschien, wie ein Schatten, der sich fast schon in nichts aufgelöst hatte. Aber ich erinnerte mich immer wieder voller Sehnsucht an seine Treue, seine Sanftheit und die Gewissheit, dass mir an seiner Seite niemals etwas Böses geschehen wäre. Und sehr häufig, viel häufiger, als es mir lieb war, überfiel mich unversehens die Erinnerung an Ramiro und versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Es tat weh, ja, natürlich tat es weh. Es tat entsetzlich weh, doch ich gewöhnte mich daran wie jemand, der eine schwere Last mit sich schleppt – die zwar den

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