Das Echo der Vergangenheit
akzeptierte – vor allem die der schwächsten.
Sanft weckte Sofie ihre Großmutter, und als er der alten Frau seinen starken Arm anbot, kamen ihm die Tränen. Er bemühte sich, es Sofie nicht merken zu lassen, aber während sie ihre Großmutter zu Bett brachten und dann wieder in die kalte Nacht hinausgingen, fiel es ihr auf.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
Den Kloß in seinem Hals schluckte er hinunter. »Wenn es einen Himmel gibt, dann glaube ich, dass er aussieht wie dieser Abend.«
Sie lächelte ihn mit einer solchen Freude an, dass er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste. »Ich muss dich küssen, Sofie.«
Sie zog eine Schulter hoch. »Dann küss mich.«
Sie zitterte, als ihre Lippen sich berührten. Es war kein verzweifelter Kuss, kein Ausschütten seines Kummers. Es war eine Verbindung, die aus der Gemeinschaft dieses Abends und einem tiefen Verlangen erwachsen war. Er küsste sie langsam, ein Kuss von Mann zu Frau, der ausdrückte, was er fühlte, was er wollte, wer sie waren, wer sie zusammen sein könnten.
Er hörte auf, als sie zurückwich.
»Ich kann das nicht.«
»Es ist nur ein Kuss.«
»Ich weiß aber, dass du mehr willst.«
Er streichelte ihr Gesicht. »Ich will alles, was dich beinhaltet. Wie auch immer das aussieht; wie auch immer du es gestaltest.«
Sie starrte ihn ungläubig an, aber er meinte es ernst. Er würde sie wie ein Ritter umwerben, wenn sie das wollte.
Er drückte ihre Hand. »Ich rufe dich morgen an.«
* * *
Lance erwachte mit einem Ruck, die Sinne hellwach. Herr? Das Gefühl der Dringlichkeit blieb. Er schlüpfte aus dem Bett und ging in den Flur. Er lauschte, bis er die leisen Schluchzer aus Sofies Zimmer dringen hörte. Dann ging er an ihre Tür.
Er klopfte nicht an, sondern trat leise ein und kniete sich neben ihr Bett. Er legte ihr die Hand auf den Kopf und flüsterte: »Sof.«
Sie entzog sich ihm nicht und versteckte auch ihre Tränen nicht. Als sie sich schließlich zu ihm umdrehte, fragte er: »Was ist los?«
»Ich habe Angst, dass sie verloren ist, wenn ich sie loslasse.«
»Carly?«
»Ich habe geträumt, ich hätte sie über einen Abgrund gehalten. Ihre Hände waren dabei, aus meinen zu rutschen, und hinter mir fragten Stimmen. ‚Warum kannst du nicht loslassen?‘, so als könnten sie nicht sehen, dass sie verloren wäre, wenn ich es täte.« Zitternd holte sie Luft. »Es war so echt. Das Gefühl, dass ich festhalten musste, egal, was alle anderen sagten, was die anderen dachten.«
»Träume können trügerisch sein. Hast du gebetet?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich spreche die Worte, aber …«
»Dann lass mich.« Er nahm Sofies Hand und ließ seine andere Handfläche auf ihrem Kopf ruhen. Er konnte Gottes Liebe förmlich spüren, aber sie schien zu versickern. Herr .
Da war ein Leck, eines, das Sofie sich weigerte zu schließen. Ihre Verbindung zu Carly? Schuldgefühle wegen ihres versuchten Suizids? Eine bleibende Sehnsucht nach Eric? Er wusste nicht, was sie so zerriss, aber sie musste bereit sein, bevor Gott sie heil machen konnte, und er spürte, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war. Was sie an Trost annehmen konnte, hatte sie bekommen. Er öffnete die Augen und sah, dass sie wieder eingeschlafen war.
* * *
Matt stand mit Sofie oberhalb des tiefgrünen Waldes, von wo aus sie bis zum Pazifik blicken konnten. Nachdem sie den vergangenen Abend mit ihrer Familie verbracht hatten, hatte er sie abgeholt, um den Tag an der Küste zu verbringen. Ein frischer Wind stieg vom Meer zu ihnen herauf und zerzauste ihr Haar und verschlug ihm den Atem. Angesichts solcher Majestät wusste er ohnehin nicht, was er sagen sollte.
Seine Bemerkung über den Himmel gestern war kein Scherz gewesen. Wenn die Ewigkeit irgendeine Ähnlichkeit mit dem Abend hatte, den er mit Sofies Familie verbracht hatte, dann konnte er sie beinahe akzeptieren. Lance einmal so zu begegnen erklärte, warum Menschen wie Maria in ihm eine Art Messias sahen. Seine charismatische Präsenz betonte die Dinge, über die er sprach, das Reich Gottes auf Erden, eine neue Schöpfung.
Matt schüttelte den Kopf. Er verstand es, aber es war nicht so einfach, die Denkweise zu ändern, die er systematisch entwickelt hatte, seit er von zu Hause weggegangen war. Viele seiner Freundschaften und beinahe alle seine beruflichen Kontakte würden davon betroffen sein. Es würde Konsequenzen haben, die er nur erahnen konnte.
Aber er verdrängte den Gedanken, als Sofie sich neben ihm bückte
Weitere Kostenlose Bücher