Das Echo der Vergangenheit
hätte eine Antwort, aber Ryan löste in ihm die gleiche Hilflosigkeit aus, die er gegenüber seinem Bruder Jacky empfunden hatte. Wie konnte er jemanden stark machen? Wie konnte er denen einen Überlebenswillen vermitteln, die für den Untergang bestimmt waren?
Sie schob ihre Hand in seine. »Es ist so, als wäre ich mit meinem großen Bruder aus.«
Gut. Das war genau das, was er wollte.
»Du warst immer für mich da.« Tränen glänzten in ihren Augen. »Ein guter – nein, ein wundervoller Freund.«
Er wand sich und hoffte, sie würde nicht versuchen, etwas daran zu ändern.
»Ich will dir nur sagen, dass ich nicht wieder mit Ryan zusammenkommen werde.«
Das Zugsignal ertönte und Ryan lief blindlings durch das Gebüsch. Matts Kehle war wie zugeschnürt. »Es ist erst zwei Wochen her.«
»Ich hätte nicht Schluss gemacht, wenn ich nicht sicher gewesen wäre. Kannst du also bitte aufhören zu versuchen, unsere Beziehung zu kitten?«
Er nickte.
»Gut.« Sie nahm ihren Wein und trank.
Die Preisverleihung zog sich unerträglich lange hin, aber er klatschte und lachte über die lahmen Witze und lächelte über die Anekdoten, die Becca ihm über ihre Kollegen erzählte. Die Frauen an ihrem Tisch fragten, wo sie ihn versteckt hätte, und er zuckte zusammen, als sie antwortete: »Hinter Ryan.« Sie alle schienen ihre Entscheidung, sich von Ryan zu trennen, gutzuheißen. Wenn er im Alter von zweiunddreißig Jahren noch keine Beständigkeit erreicht hatte, würde er es jemals tun?
Wenn er nach seiner Arbeit gefragt wurde, antwortete Matt, ein Großteil davon sei banal und mühsam. Er sagte nicht, dass es besser war, als achtzehn Stunden am Tag Politiker zu verteidigen und sich ekelig schleimig zu fühlen, wenn man anschließend schlaflos ins Bett fiel. Oder dass die Gesichter, die jetzt in seinen Träumen auftauchten, seine Aufmerksamkeit verdienten. Oder, was am wichtigsten war, dass sein Vater sich nicht mehr mit Matthew, dem ach so wichtigen Anwalt, brüstete.
Als die Veranstaltung zu Ende war, brachte er Becca heim und fuhr dann nach Hause, in der Hoffnung, dass Ryan die Selbstachtung besaß, nicht über den heutigen Abend zu diskutieren. Aber er saß mit einer Flasche Whisky in der dunklen Küche und hatte Bauchschmerzen.
Er hob seinen trüben Blick. »Und, wie war es?«
»Langweilig.«
»Habt ihr über mich gesprochen?« Seine Miene war so leicht zu durchschauen, dass es wehtat.
»Wir haben versucht, es zu vermeiden.«
»Gibt es eine Chance? Habe ich eine Chance?«
Er setzte sich und seufzte. »Sie sagt, dass sie nicht mehr will. Sie will einen Schlussstrich ziehen.«
Ryan rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. »Vielleicht, wenn ich eine bessere Arbeit hätte oder ein größeres Auto.«
»Deine Arbeit ist völlig in Ordnung, wenn du sie machst, und Becca ist es egal, was für ein Auto du fährst. Du gibst einfach nicht gerade dein Bestes, Ryan.«
»Was ist, wenn doch? Was ist, wenn das alles ist, was ich kann?«
»Dann such dir jemanden, der nicht so hohe Erwartungen hat.«
»Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich könnte eine Menge sagen. Aber du hattest drei Jahre Zeit, um etwas aus dir zu machen. Wenn Becca dir so viel bedeutet, wie du immer behauptet hast, warum hast du dir dann nicht mehr Mühe gegeben?« Er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Mit deinem guten Aussehen und deinem Humor kannst du auch nicht alles reißen. Irgendwann musst du ernst machen.«
»Wie du?« Ryan warf ihm einen düsteren Blick zu. »Du bist so ernst wie ein Zugunglück.«
Es musste der Alkohol sein. Nur die Menge Whisky, die Ryan getrunken hatte, würde ihn dazu bringen, etwas so gedankenlos Grausames zu sagen. Matt stand auf, ging in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er hatte nicht gewusst, dass Jacky auf die Gleise laufen würde; wie hätte er das auch wissen sollen? Plötzlich brannten Tränen in seinen Augen.
Schon seit Jahren hatte er nicht mehr so viel an Jacky gedacht. Dass er Sofie davon erzählt hatte, war der Auslöser gewesen. Was wäre gewesen, wenn er Jacky geraten hätte, sich zu verstecken, und wenn er an seiner Stelle reingegangen wäre? Eine Tracht Prügel hätte er überstanden, aber das … Es hörte niemals auf. Leise fluchte er.
Ryan klopfte an die Tür. »Matt?«
»Verschwinde, Ryan.«
Aber Ryan kam herein. »Es tut mir leid, Mann. Ich habe nicht darüber nachgedacht, was ich gesagt habe.«
»Ich habe gesagt, du sollst
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