Das Echo der Vergangenheit
Mädchen eine Nummer falsch aufgeschrieben. Beim nächsten Mal würde sie das Ganze aufklären – hoffte sie vielleicht gar auf ein nächstes Mal?
Sie und Lance verließen das Zimmer und gingen die Treppe hinunter, während er die Nummer in Mexiko wählte. Er warf ihr einen Blick zu. »Bete.«
Im Salon stand sie neben ihm, während er sich auf Spanisch vorstellte und dann vorsichtig Marias Situation erklärte. In Lance’ Gesicht sah sie den Schmerz, den seine Worte bei seiner Gesprächspartnerin auslösen mussten. Sie konnte sich kaum vorstellen, in der Haut von Marias Mutter zu stecken und zu erfahren, was man ihrem Kind angetan hatte. Sie betete mit ganzer Kraft.
Kapitel 13
Carly ließ sich auf ihr Bett fallen, das aufgeklappte Handy in der Hand. Du Dummkopf! Warum hatte sie nichts gesagt? Warum hatte sie nicht einfach »Hallo, Sofie« gesagt? War das denn so schwer?
Sie hatte sich so über das Handy gefreut – nicht weil sie damit Daddy rund um die Uhr anrufen oder mit all den Freundinnen reden konnte, die sie nicht hatte. Sondern weil sie Sofie anrufen konnte. Und jetzt traute sie sich nicht einmal, hallo zu sagen.
Sie sah sich im Zimmer um und betrachtete all die Gegenstände, die Daddy ihr gegeben hatte: einen Computer mit Lernsoftware, so viele Plüschtiere, dass sie gar nicht alle in ihre Regale passten, Bücher, CDs. Glaubte er, all das würde sie dafür entschädigen, dass sie keine Gelegenheit dazu hatte, Freundschaften zu schließen?
An ihrer Privatschule war Mobbing untersagt, aber jemanden zu ignorieren, war vollkommen akzeptabel. Wenn sie Geburtstag hatte, würde sie keine Übernachtungsparty mit anderen Mädchen haben, mit denen sie die ganze Nacht Geheimnisse austauschte und kicherte. Daddy würde sie irgendwohin ausführen, so als wäre es eine Verabredung, und sie würde ein sehr schönes Geschenk auspacken. Er glaubte, das gefiele ihr besser.
Sie seufzte. In den letzten paar Tagen war er so lieb gewesen. Keine seiner schlechten Launen. Er hatte sie nicht irgendwelcher Dinge beschuldigt, von denen sie nicht einmal wusste. Keine eiskalten Blicke, die ihr Blut gerinnen ließen. Es würde eine Weile dauern, bis all das wiederkam. Jetzt war er erst einmal ein Vater, wie jeder ihn sich wünschte.
Sie lehnte sich an die Wand. Manche Kinder bekamen ihren Vater nie zu Gesicht. Manche Väter schlugen ihre Kinder. Daddy wollte einfach nur so viel von ihr. Konnte man zu viel geliebt werden? Jedenfalls war er alles, was sie hatte. Sie hatte das in einer Geschichte über reisende Schauspieler gelesen. Das Mädchen, das auf der Straße nach Oxford Rad schlug, hatte gesehen, wie sein Vater auf der Bühne stand, und gedacht, dass er alles war, was sie hatte.
Dieser Gedanke gefiel ihr. Er half dabei, dass die Einsamkeit nicht so wehtat. Sie stellte sich vor, sie wäre dieses Mädchen. Wie das Mädchen in dem Buch zogen sie und ihr Daddy ständig um. Er war unheimlich gut darin, Dinge zu verkaufen, und verdiente viel Geld. Aber nach einer gewissen Zeit kam er nicht mehr mit den Leuten aus, für die er arbeitete. Und wenn er sie nicht mehr ertragen konnte, dann zog er einfach mit ihr um. Manchmal dauerte es eine Weile, bis er eine neue Arbeit fand, und dann bestellten sie keine Pizza und gingen auch nicht ins Kino, und einmal waren sie mitten in der Nacht umgezogen.
Früher waren sie drei- bis viermal im Jahr zu Grandma Beth gefahren, die in Riverdale in einem großen weißen Haus wohnte, das aussah wie die Villa eines Präsidenten, aber beim letzten Mal, als sie sich geweigert hatte, Dad Geld zu geben, hatte er mit seiner kalten, bedrohlichen Stimme gesagt: » Wenn deine Enkelin nicht Grund genug ist, dann wird es dir ja auch egal sein, wenn sie dich nicht kennt. «
Grandma Beth hatte geweint. Aber seitdem hatten sie sie nicht mehr gesehen. Carly seufzte. Wenn sie doch nur Grund genug gewesen wäre.
* * *
Matt wachte mit dem ernüchternden Wissen auf, dass es kein Traum gewesen war. Er war von Ryans Bedürftigkeit völlig ausgelaugt und emotional und körperlich erschöpft gewesen, aber das rechtfertigte nicht seinen völligen Zusammenbruch. Der konnte nur durch zwei Worte erklärt werden: Sofie Michelli.
Müde rieb er sich das Gesicht, das von den Bartstoppeln ganz rau war, und seine Augen, die zu wenig Schlaf bekommen hatten. Dann blickte er auf seine Armbanduhr. Halb elf. Er war versucht, sich wieder ins Bett fallen zu lassen, aber seine Gedanken liefen auf Hochtouren, und so würden die drei
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