Das Echo der Vergangenheit
alleine die Treppe herunter, ihre Miene besorgt. »Was ist denn los?«
Cassinia legte den Kopf schief. »Warum glauben Sie denn, dass etwas los ist?«
»Meine Mutter ist noch nicht hier. Aber Sie wollen mich sprechen?« Sie war am Fuße der Treppe angelangt und stand Cassinia quasi Auge in Auge gegenüber.
»Ich bin nicht Ihre Feindin, Maria. Ich bin Ihre Anwältin. Ich überlege, was das Beste für Sie ist, und sorge dafür, dass niemand Sie zu irgendetwas nötigt. Verstehen Sie, was nötigen bedeutet?«
Maria nickte. »Mich zwingen.« Ihre Stimme brach. »Aber das war vorher.« Wut blitzte in ihren Augen auf. »Sie werden doch dafür bestraft, oder? Aber hier hat niemand so etwas getan.«
»Ich meine nicht die Art, wie Sie vorher gezwungen wurden. Kommen Sie, setzen Sie sich.« Cassinia nahm auf einem der Sessel im Salon Platz, Maria auf einem anderen. Cassinia diskutierte vielleicht heftig in diesem Fall, aber sie behandelte Maria mit Respekt und Fürsorge, auch wenn sie sie auf fünfzehn verschiedene Arten dazu befragte, wer sie dazu drängen könnte, das Baby zu behalten oder zu ihrer Mutter zurückzugehen. Marias Antworten waren immer gleich.
»Niemand nötigt mich dazu. Ich will mein Baby und ich möchte nach Hause.«
Plötzlich ging die Tür auf und Lance kam mit einer stattlichen mexikanischen Frau mittleren Alters herein.
Maria sprang auf. » Mamá! «
Mrs. Espinoza breitete mit einem Aufschrei die Arme aus und die beiden hielten sich lange umschlungen, während Maria mehr Tränen vergoss, als er bisher bei ihr gesehen hatte. » Lo siento, Mamá. Lo siento .«
Die Frau legte eine Hand um Marias Kopf und weinte ebenfalls. » Hija querida .« Nach einiger Zeit lösten sie sich aus der Umarmung. »Wo ist mein Enkel?«
»Er ist hier«, erklang Sofies Stimme von der Treppe aus.
Matt drehte sich um und sofort fing sein Herz an zu galoppieren, als er sie sah. Er konnte nicht fassen, wie wütend er gewesen war, als sie den Mann verteidigt hatte, der sie zu einem Suizidversuch getrieben hatte. Doch mit jedem Schritt, den sie die Treppe hinunterkam, wollte er die Entfernung zwischen ihnen überwinden, sie in die Arme nehmen … Aber er zwang sich zu einer ausdruckslosen Miene. Hier ging es schließlich um Diego.
Sofie legte den Säugling in Mrs. Espinozas Arme. Das Baby protestierte mit einem Quäken gegen die Übergabe und blickte dann seiner Großmutter ins Gesicht. Sofie trat zurück und Matt beobachtete, dass er die Entfernung zwischen ihnen unbewusst doch überbrückt hatte. Sie roch nach Babypuder und stand so nah, dass er sie hätte berühren können, aber er tat es nicht.
» Mamá« – Maria legte den Finger in die Faust des Babys – »das ist Diego Manuel.«
Tränen liefen Señora Espinozas über die Wangen. »Ein guter Name. Nach deinem papá , Gott hab ihn selig. Und wo ist der Priester?«
»Er müsste jeden Augenblick hier sein.« Lance blickte zum Fenster hinaus, während er antwortete.
»Gut.«
Matt zuckte mit den Schultern, als Cassinia ihm einen Blick zuwarf. Irgendwie hatte die Autorität sich auf die elegante Frau verlagert, die jetzt das Baby auf dem Arm hielt. »Sie sind die Patin?«, fragte sie Sofie.
Sofie neigte den Kopf. »Es ist mir eine Ehre.«
»Und Lance.« Maria strahlte. »Er ist der andere Pate.«
Matt hätte beinahe gekichert, nach dem, was Sofie ihm erzählt hatte. Ausgerechnet der Pate.
»Mrs. Espinoza, ich bin Cassinia Krantz. Ich bin die Sozialarbeiterin, die für Marias Fall zuständig ist.« Sie sah aus wie ein betagter Boxer, nur ohne Zahnschutz.
»Was auch immer mein Halbbruder und dieser Abschaum für illegale Geschäfte getan haben, Maria hat nichts damit zu tun.«
»Ich meine, ich bin für ihr Wohlergehen verantwortlich und für die Entscheidung ...«
» Ich bin für Marias Wohlergehen verantwortlich.«
»Er ist da.« Lance ging zur Tür, um den Priester hereinzulassen. Noch mehr religiöser Hokuspokus. Cassinia sah aus, als würde sie gleich explodieren.
Sofie trat einen Schritt zurück und stieß ihn dabei aus Versehen mit dem Ellbogen an. Sie blickte über ihre Schulter. »Entschuldigung.«
Er hätte ja geantwortet, wenn ihm seine Stimmbänder nur gehorcht hätten.
Als der korpulente Priester eintrat, schlüpfte Cassinia zur Tür hi-naus, während Matt wie gebannt die Gegenwart von Sophie auf sich wirken ließ. Star und Elaine kamen die Treppe herunter und Nonna trat durch den bogenförmigen Eingang zum Esszimmer, um sich zu ihnen zu
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