Das Echo der Vergangenheit
auszuweichen wäre sinnlos gewesen, aber bei Nonna war es völlig ausgeschlossen. Sofie erzählte ihr von dem Anruf und von Erics Stimme am anderen Ende der Leitung. Wie verloren er geklungen hatte, wie verletzt. Wie viel Kummer die wenigen Worte, die sie mit Carly gewechselt hatte, und all die verlorenen Jahre in ihr ausgelöst hatten. Nonna hörte zu, ohne etwas zu sagen.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich herausgefunden hätte, wo sie wohnt …«
»Es ist besser, wenn du die Sache auf sich beruhen lässt.«
Aber es war nicht besser. Wenn Carly wüsste, wie sehr Sofie sie vermisste, wie sehr sie sich wünschte, Carly in den Arm zu nehmen, sie zu einer Realität zu machen anstatt zu einem Traum, würde sie dann der Kleber sein, der sie irgendwie alle wieder zusammenhielt? Ihr Herz flatterte. Nein. Eric würde sie wieder in seinen Bann ziehen, sie mit seinen Bedürfnissen verschlingen. Vier entscheidende Jahre lang hatte sie ihm gehört. Jetzt hatte sie endlich gelernt, wieder frei zu atmen.
Aber was war mit Carly? Der Gedanke, dass das Kind Erics ganze Liebe ertragen musste, tat Sofie in der Seele weh. Niemand konnte Eric genug geben … oder konnte sie es? Gab es einen Weg, etwas, das sie tun könnte?
»‚So wie ein Hund zu seinem Erbrochenen zurückkehrt, wiederholt ein Narr seine Dummheiten.‘«
Sie schloss die Augen. Nonna hatte auch beim letzten Mal kein Blatt vor den Mund genommen, aber als sich alles aufgelöst hatte, war sie da gewesen, eine stille Gegenwart, die sie festgehalten und nicht wieder losgelassen hatte.
»Er könnte sich doch geändert haben, Nonna. Ich habe mich ja auch verändert.«
»Er ist ein schwarzes Loch.«
»Ich denke vor allem an Carly.«
»Nein, das tust du nicht. Du hast von seinem Gift gekostet.« Nonna stand auf.
»Bitte. Er ist ein Mensch. Er hat Anspruch auf Respekt.«
»Respekt verdient man sich.« Sie ging zurück in ihr Zimmer und schloss die Tür.
Sie hatte recht. Sosehr Sofie Carly auch liebte, dieses Kind war nicht ihre Verantwortung. Ein schrecklicher Schmerz durchfuhr sie. Wer würde sich aber dann um dieses Mädchen kümmern? Erinnerungen an Carlys kleine Hände stiegen in ihr auf, an ihre Stimme, an ein Lächeln, das Sofies Knie weich werden ließ. Sie war ein solcher Schatz gewesen, schon ihr Anblick hatte Sofie zu Tränen gerührt und sie fragte sich, ob Eric als Kind auch so gewesen war. War ihm vielleicht damals schon bewusst gewesen, welche Macht er hatte, Menschen hilflos zu machen?
* * *
Rese musterte Lance, als er sich wieder zu ihr umwandte, nachdem die Tür sich hinter Sofie geschlossen hatte. Einen trostloseren Blick hatte sie bei ihm noch nicht gesehen. »Erklärst du es mir?«
»Hast du dich jemals gefragt, ob der Teufel schön sein kann?«
Sie runzelte die Stirn. »War ich schon bis zu dem Thema gekommen?«
»Luzifer. Der Engel des Lichts. Der beste von Gottes Engeln.«
»Mit dem hatte Sofie eine Beziehung?«
»Eric Malden. Und es war keine Beziehung, sondern er hat sie verschlungen.«
»Du machst mir ja richtig Angst.« Sie hatte Sofies Geschichte hören wollen, aber jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher.
»Wie würdest du es denn sonst erklären, dass eine hübsche junge Frau voller Lebenslust und Talent, mit messerscharfem Verstand und bei allen beliebt, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufschneidet?«
»Das kann ich nicht erklären.«
Lance wandte den Blick ab. »Ich war einen Großteil der Zeit, die sie mit Eric zusammen war, auf Tour. Wenn ich da gewesen wäre, genauer hingesehen hätte, ihr weniger vertraut hätte … Mir schien, dass viele Leute urteilten, aber keine Liebe walten ließen. Ich wusste, wie sich das anfühlt, und wollte mich daran nicht beteiligen. Und bei meinem Ruf konnte ich ohnehin nicht gut mit Steinen werfen.«
»Was ist geschehen?«
»Er hat dafür gesorgt, dass sie all ihre Freundschaften auf Eis legte, dass sie von ihrer Familie total abgeschnitten war. Er hat ihr den Willen geraubt, ihre Persönlichkeit, ihre Existenz außerhalb von ihm. Und dann ist er gegangen. Es hat lange gedauert, bis sie die Beziehungen, die sie vorher hatte, wieder aufbauen konnte. Erst jetzt lässt sie sich langsam auf neue ein.«
»Und Carly …«
»Sofie war vier Jahre lang ihre Mutter. Dieses Kind war in jeder Hinsicht ihr Kind.« Er schüttelte den Kopf. »Wir wussten, dass sie litt, aber sie hat sich nicht anmerken lassen, wie sehr.«
Sein Blick wanderte zur Decke hinauf und sein Kinn
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