Das Echo der Vergangenheit
gesellen. Eingequetscht zwischen all den Menschen, berührte er sanft die Spitzen von Sofies goldblonden Haaren.
Die Zeremonie war schlicht – ein bisschen Wasser, ein bisschen Öl, kein Hokuspokus. Lance tat nichts, außer einige Male ein Kreuzzeichen auf der Stirn des Säuglings zu machen; Wunder schienen heute nicht auf dem Programm zu stehen. Für ein Baby, das über eine Woche lang keinen Namen gehabt hatte, verlief alles sehr geordnet.
Anschließend gingen Maria und ihre Mutter mit dem Baby nach oben. Star, Elaine und Nonna nahmen den Priester mit in die Küche. Rese war nicht da – es war schließlich ein Werktag. Und so blieb Matt mit Sofie und Lance allein zurück, aber Lance machte keine Anstalten, ihnen ein Tête-à-Tête zu ermöglichen.
Er stemmte die Hände in die Hüften. »Señora Espinoza hat vor, Maria morgen mit nach Hause zu nehmen. Mit Diego natürlich.«
Matt schlug die Akte auf, die er unter dem Arm getragen hatte, und holte die gerichtliche Verfügung heraus.
Lance überflog sie und lächelte. »Danke.«
»Es war im Interesse aller Beteiligten.« Er und Cassinia waren bei der ganzen Sache nur Spielfiguren gewesen. Aber das war ihm lieber als all die Fälle, in denen kein Happyend möglich war. »Was hatte es mit der Taufe auf sich?«
»Señora Espinoza war sich nicht sicher, ob ihr Pfarrer Diego unter diesen Umständen akzeptieren würde.«
Das war die Art engstirnige Religion, die Matt nur zu gut kannte.
»Außerdem wollte sie damit beweisen, dass sie es tut.«
Die Selbstgefälligkeit in Lance’ Lächeln bildete sich Matt wahrscheinlich nur ein. Sollten »Propheten« nicht über solchen Dingen stehen?
»Wir machen etwas zu essen. Bleiben Sie und« – Lance blickte sich um – »Cassinia?«
»Ich denke nicht.« Es würde ohnehin Tage dauern, bis sie sich wieder abgeregt hatte. Er konnte nicht sagen, ob Sofies Miene Erleichterung oder Resignation zeigte. Aber welche Rolle spielte das schon? Sie hatte ihm die eine Eigenschaft gezeigt, die er an einer Frau nicht akzeptieren konnte.
Lance streckte ihm seine Hand entgegen. »Danke, dass Sie die Sache mit Diego organisiert haben.«
»Gerne.« Sie gaben sich die Hand.
Lance blickte von ihm zu Sofie, dann ging er in den Flur und in Richtung Küche. Jetzt, wo er ihr allein gegenüberstand, fiel es ihm schwerer, seiner Überzeugung zu folgen, vor allem da sie so aussah, als würde sie Verständnis haben und es ihm nicht übel nehmen, wenn er schlecht von ihr dachte.
Mit ihren kupfergrünen Augen blickte sie auf. »Ich bin froh, dass du für den Fall zuständig warst, Matt. Du hast ihn gut geregelt.«
Er hatte kaum etwas gemacht und das wussten sie beide. »Und du hast Diego gut versorgt.«
»Babys machen es einem leicht.« Sie ließ die New Yorkerin zum Vorschein kommen. »Sie widersprechen nicht.«
Er lächelte. »Sie fragen nicht nach deinen Autoschlüsseln …«
»Plündern nicht deinen Kleiderschrank …«
»Bleiben abends nicht lange weg, ohne anzurufen …«
Sie lachten. Ihre Zähne waren weiß und glatt und ihre Lippen weich und voll. Es war tapfer und großzügig von ihr gewesen, sich um Diego zu kümmern, und sie hatte ihn selbstlos wieder hergegeben.
Sein Herz hämmerte. »Hättest du Lust, dich noch einmal mit mir zu treffen, Sofie? Vielleicht zu einer Fahrt durch die Weinberge?«
»Im Februar?«
»Es gibt für alles eine Zeit.«
»Hmm.« Sie verschränkte die Arme. »Das ist biblisch.«
»Prediger.«
Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Nur weil ich nicht daran glaube, heißt das nicht, dass ich ungebildet bin. Mein Agnostizismus ist gut begründet.«
»Ich verstehe.« Ihr Lächeln umfing ihn. »Eine Fahrt aufs Land wäre nett.«
Er war hin und weg. »Dann rufe ich dich an.« Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn, als er in den kalten Nieselregen hinausging, wo Cassinia schon auf ihn wartete. Sie machte ein Gesicht, als hätte sie an einer Zitrone gelutscht.
Sie steckte ihr Handy ein. »Ein Kind auf dem Weg in die Notaufnahme. Fünf Monate alt. Ist geschüttelt worden.«
Seine Laune stürzte ab. Warum schien ihm sein aufgeklärter Unglaube plötzlich so nutzlos?
* * *
Rese setzte sich an den Tisch. Michelles Bibelstunden forderten ihren Verstand nicht so, wie Lance’ theologische Diskussionen es meist taten. Michelles Ziel und ihre Präsentation waren klar; die Bibelstellen, die sie auswählte, um sie »aufzubrechen«, dienten ihrem Lebensziel, die Hungrigen zu speisen und Menschen mit
Weitere Kostenlose Bücher