Das Echo dunkler Tage
ging zum Eingang. Hinter der Rezeption spielte eine Jugendliche mit zurückgebundenen Rastalocken ein Online-Computerspiel.
»Guten Tag! Ich würde gern Raúl González und Nadia Takchenko sprechen.«
»Moment«, antwortete die Rezeptionistin mürrisch. Sie stellte ihr Spiel auf Pause, und als sie den Blick hob, hatte sie sich in eine freundliche Empfangsdame verwandelt.
»Sie wünschen?«
»Könnten Sie mir bitte die Zimmernummer von Raúl González und Nadia Takchenko geben?«
»Ah, die Bärenexperten aus Huesca«, sagte das Mädchen.
Amaia wäre es lieber gewesen, wenn sie es nicht so hinausposaunt hätte. Die Nachricht, dass Bärenexperten im Tal waren, konnte die Gerüchteküche anheizen, und wenn die Presse dieses Gerücht aufgriff und verbreitete, konnte das die Ermittlungen behindern.
»Sie sitzen im Restaurant. Ich soll alle, die nach ihnen fragen, dorthin schicken.«
Amaia betrat das Restaurant durch die Verbindungstür zur Rezeption. Eine große Schülergruppe in Wandermontur hatte fast alle Tische belegt und ließen sich Schinken, Kartoffeln mit scharfer Soße und Fleischbällchen schmecken. Von einem der hinteren Tische winkte ihr eine Frau zu, aber sie begriff erst nach einigen Sekunden, dass es Dr. Takchenko war. Sie hatte sie nicht erkannt, weil sie ihr Haar offen trug und elegant gekleidet war: karamellfarbene Hose, beiger Blazer und Bluse, dazu Halbstiefel mit Absätzen. Amaia kam sich lächerlich vor, weil sie erwartet hatte, die Wissenschaftlerin immer noch im orangenen Overall anzutreffen. Dr. Takchenko schüttelte ihr lächelnd die Hand.
»Wie schön, Sie zu sehen, Inspectora Salazar«, sagte sie mit ihrem deutlichen Akzent. »Raúl ist gerade am Tresen und bestellt. Wir reisen heute Abend ab, wollten aber vorher noch etwas essen. Ich hoffe, Sie leisten uns Gesellschaft.«
»Ich fürchte, dass ich dafür keine Zeit habe. Aber ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Dr. González kam mit drei Gläsern Bier zurück, die er auf den Tisch stellte.
»Inspectora Salazar, ich dachte schon, wir müssten Ihnen den Bericht mit der Post schicken.«
»Tut mir leid, dass ich erst jetzt zu Ihnen kommen konnte, aber ich bin in letzter Zeit extrem beschäftigt. Aber natürlich bin ich sehr an dem interessiert, was Sie entdeckt haben.«
»Nicht viel, fürchte ich, oder jedenfalls nichts Eindeutiges. Wir haben keine Schlafstätten, Exkremente oder dergleichen gefunden. Dafür aber Spuren, die tatsächlich von einem großen Sohlengänger stammen könnten, abgeschabte Flechten und Rinden und die Haare eines männlichen Tiers, die mit denen übereinstimmen, die Sie uns gegeben haben.«
»Und?«
»Es könnte durchaus sein, dass sich ein Bär in diese Gegend verirrt hat. Andererseits können die Haare schon länger dort gelegen haben, sie sahen auch schon älter aus. Vielleicht hat auch ein Bär nach dem Winterschlaf sein Fell abgeworfen, wobei es dafür eigentlich noch zu früh ist, es sei denn, er hat wegen der Erderwärmung oder des Nahrungsmangels erst gar keinen Winterschlaf gehalten, was laut einigen Berichten bei einigen Weibchen der Fall ist.«
»Woher wissen Sie, dass die Haare vom selben Tier stammen?«
»Weil wir die Haare analysiert haben. Deswegen wissen wir auch, dass es sich um ein Männchen handelt.«
»Eine DNA-Analyse?«
»Genau.«
»Seit wann haben Sie die Ergebnisse?«
»Seit gestern.«
»Wie kann das sein? Ich habe noch nicht mal die Ergebnisse der Proben, die ich selber eingeschickt habe.«
»Wir haben in Huesca unser eigenes Labor.«
Amaia war sprachlos.
»Das heißt, Ihr Zentrum für Naturbeobachtung verfügt über ein so modernes Labor, dass Sie innerhalb von drei Tagen eine DNA-Analyse anfertigen können?«
»Oder auch innerhalb von vierundzwanzig Stunden, wenn wir uns beeilen. Normalerweise nimmt Dr. Takchenko die Analyse vor, aber weil sie mich begleitet hat, haben wir einen Studenten damit beauftragt, der oft mit uns zusammenarbeitet.«
»Nur damit ich es begreife: Sie sind also in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob die DNA eines Tieres oder Menschen mit einer anderen übereinstimmt?«
»Genau, aber wir können nur vergleichen, schließlich haben wir im Gegensatz zu einem rechtsmedizinischen Institut keine Datenbank. Die Haare von Bärenmännchen weisen große genetische Gemeinsamkeiten auf, selbst wenn sie von unterschiedlichen Tieren stammen.«
Amaia verstummte und sah die Wissenschaftlerin fragend an.
»Wenn ich
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