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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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Murmeltiere und Siebenschläfer zahlreicher sind. Wir haben das ganze Jahr über gut zu tun. Unser Hauptinteresse aber gilt den Bären, deren Wanderrouten wir durch ganz Europa verfolgen. Sobald jemand meldet, dass er einen Bären gesehen hat, fahren wir hin. Wie in diesem Fall.«
    »Und zu welcher Schlussfolgerung sind Sie gelangt? Ist es überhaupt denkbar, dass es hier in der Gegend einen Bären gibt? Oder glauben Sie wie die Förster, dass es ein Basajaun war?«, fragte Jonan.
    Dr. González sah ihn verdutzt an, aber Nadia Takchenko lächelte. »Ein Basajauno! Ich weiß, was das ist.«
    »Basajaun«, verbesserte Jonan.
    »Genau«, rief die Wissenschaftlerin und wandte sich an ihren Kollegen. »Das ist das Gleiche wie Bigfoot oder Sasquatch oder der Home Grandizo. Ein Riese aus dem Val d’Onsera, der immer mit einem großen Bären unterwegs war. In meiner Heimat gibt es auch so eine Geschichte über einen großen Menschen aus einer früheren Evolutionsstufe. Der Legende nach lebt er in den Wäldern und sorgt dafür, dass das Gleichgewicht der Natur erhalten bleibt. So wie Ihr Basajaun, oder?«
    »Genau. Nur dass der Basajaun auch ein mythologisches Wesen ist, das über magische Kräfte verfügen soll.«
    »Ich dachte, das wäre nur der Name, den die Presse diesem Mädchenmörder gegeben hat, weil er seine Opfer im Wald umbringt«, sagte Dr. González.
    »Das wäre völlig falsch«, rief seine Kollegin. »Ein Basajaun tötet nicht, er hütet den Wald und seine Reinheit.«
    »Und die Förster glauben wirklich, dass so ein Basajaun diese Verbrechen begangen hat?«, wunderte sich González.
    »Jedenfalls glauben sie, dass es solche Wesen gibt«, erklärte Jonan. »Ihrer Meinung nach hat der Basajaun allerdings nichts mit den Morden zu tun hat, ganz im Gegenteil, die Natur hat ihn herbeigerufen, um den Mörder zu stoppen und das Gleichgewicht im Tal wiederherzustellen.«
    »Was für eine schöne Geschichte«, sagte Dr. González.
    »Aber eben nur eine Geschichte«, erwiderte Amaia, erhob sich und gab damit das Signal zum Aufbruch.
    Sie zog ihre Daunenjacke an und ging hinaus auf den Parkplatz. Es war besser, bei Jonan mitzufahren und ihr eigenes Auto stehenzulassen, beschloss sie. Sie griff nach ihrem Handy, um James Bescheid zu sagen, dass sie nach Huesca fahren würde. Der Parkplatz war nur spärlich beleuchtet, im Gegensatz zu dem Café und dem rustikal eingerichteten Speisesaal. Während sie wartete, dass James ans Telefon ging, sah sie plötzlich Flora, die sich an einen der Tische am Fenster setzte. Sie trug eine enge schwarze Bluse und beugte sich mit einer koketten Geste nach vorne, die Amaia überraschte. Neugierig suchte sich Amaia eine Stelle, von der aus sie die Szene besser beobachten konnte. In diesem Moment meldete sich James. Sie erklärte ihm rasch, was sie vorhatte, und versprach, ihn anzurufen, wenn sie wieder von Huesca aufbrach. Als sie sich gerade von ihrem Mann verabschiedet hatte, neigte sich Flora etwas zur Seite und ergriff die Hand ihres Begleiters. Es war Inspector Montes. Er lächelte und sagte etwas zu Flora, das sie zum Lachen brachte, und sie warf verführerisch den Kopf zurück und sah nach draußen. Erschrocken drehte sich Amaia um und ging in Deckung. Das Handy glitt ihr aus der Hand und rutschte unter ein Auto. Ihre Schwester konnte sie unmöglich gesehen haben, sagte sie sich, dafür war der Parkplatz zu schlecht beleuchtet.
    Sie hatte gerade ihr Handy unter dem Auto hervorgeholt, als Jonan und die beiden Wissenschaftler aus dem Hotel kamen. Jonan setzte sich ans Steuer und begann sofort auf sie einzureden. Sie hörte ihm kaum zu, weil sie sich noch zu sehr darüber wunderte, wie heftig sie gerade reagiert hatte. Als Jonan auf die Landstraße einbog, seufzte sie erleichtert auf.

34
    E ngrasi löste das Band von der Schachtel des neuen Tarot-de-Marseille-Sets. Sie zog die Karten heraus, nahm Kontakt auf und betete, während sie sie verteilte. Sie würde es mit einem alten Feind zu tun bekommen, den sie vor langer Zeit schon einmal gesehen hatte, damals, als Amaia sich als Kind die Karten selbst gelegt hatte. Und heute wieder, als Ros versucht hatte, ihrer Schwester zu helfen. Die alte Drohung war wieder aufgetaucht wie eine böse Erinnerung und hatte ihre geifernde Schnauze in das Leben ihrer Kleinen gesteckt.
    Engrasi hatte von Anfang an ein besonderes Verhältnis zu Amaia gehabt. Genau wie sie hatte sie Elizondo gehasst, hatte die alten Gebräuche, die Traditionen und die

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