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Das Echo dunkler Tage

Das Echo dunkler Tage

Titel: Das Echo dunkler Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dolores Redondo
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Plastik?«
    »Das Blut war auf einem weißen Stück Plastik«, wiederholte er.
    Amaia richtete sich auf, weil Medina aus dem Mund stank.
    »Haben Sie in der Nähe der Hütte jemanden gesehen? Denken Sie gut nach.«
    »Nein, aber …«
    »Aber was?«
    »Ich fühlte mich irgendwie beobachtet. Allerdings dachte ich, es wäre Johana.«
    »Johana?«
    »Ihr Geist.«
    »Ist Ihnen auf dem Waldweg ein Auto entgegengekommen? Oder stand in der Nähe eines?«
    »Nein, aber als ich aufbrach, hörte ich ein Motorrad. So eine Geländemaschine, die einen höllischen Krach macht. Ich dachte, es wären die von der SEPRONA, die haben ja solche Dinger. Jedenfalls habe ich gemacht, dass ich wegkomme.«
    EIN WEITERES FRÜHJAHR
    Viele Jahre vergingen, bis Amaia das zweite Mal mit ihrer Mutter allein war. Sie wohnte bereits in Pamplona, kam aber an den Wochenenden zurück nach Elizondo. Ihre Mutter litt an Alzheimer, konnte nur noch Wörter stammeln, den einfachsten Grundbedürfnissen Ausdruck verleihen. Und nun hatte sie auch noch eine Lungenentzündung bekommen und lag seit einer Woche in der Universitätsklinik. Ihr Hausarzt hatte sie eingeliefert, gegen den Willen von Flora, die sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatte. Am Ende hatte sie einlenken müssen, weil Rosario kaum noch Luft bekommen hatte und ohne Sauerstoffzufuhr erstickt wäre. Kaum war sie mit einem Spezialkrankenwagen in die Klinik transportiert worden, nahm Flora das Heft wieder in die Hand und wich nicht mehr von der Seite, ließ keine Gelegenheit aus, ihren Schwestern vorzuwerfen, dass sie ihre Mutter nicht öfter besuchten.
    Am Wochenende war Amaia wie immer nach Elizondo gekommen. Als sie in der Klinik eintraf, hielt Flora ihr erst einmal eine zehnminütige Standpauke, bevor sie in die Cafeteria aufbrach. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, betrachtete Amaia die alte Frau, die da fast im Sitzen schlief, weil sie so besser atmen konnte. Zum ersten Mal seit ihrer Kindheit war sie mit ihrer Mutter allein. Auf Zehenspitzen schlich sie um das Bett herum und setzte sich in den Sessel am Fenster. Sie betete darum, dass sie nicht aufwachte, denn sie wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie sie berühren musste.
    Vorsichtig nahm sie Platz und griff nach einer von Floras Zeitschriften, die auf dem Fenstersims lagen. Dann wandte sie sich wieder ihrer Mutter zu. Vor Schreck hätte sie fast geschrien. Ihre Mutter hatte sich nach links gedreht und sah sie mit einem verzerrten Lächeln und bösartigen Äuglein an.
    »Du brauchst keine Angst vor deiner Mutter zu haben, du kleine Ratte, ich werde dich schon nicht fressen.«
    Dann drehte sie sich wieder auf den Rücken. Sofort ging ihre Atmung schwerer, klang wässrig. Amaia war noch immer wie gelähmt, hatte vor Schreck die Zeitschrift zerrissen und saß mit pochendem Herzen da. Die Stimme der Logik sagte ihr, dass sie es sich eingebildet hatte, dass ihr die Müdigkeit und die Erinnerung einen bösen Streich gespielt hatten. Ohne den Blick vom Gesicht ihrer Mutter zu wenden, das so leer und schlaff war wie in den Monaten zuvor, stand sie auf. Der alten Frau hing ein Schleimfaden aus dem Mund, die Augen waren geschlossen. Plötzlich murmelte sie etwas. Sie schien zu träumen. Sagte sie Wasser? Ihre Stimme war so schwach, dass sie kaum zu hören war. Amaia ging zu ihr und lauschte.
    »Aaaasr.«
    Amaia beugte sich noch weiter über sie, um besser hören zu können.
    Da schlug ihre Mutter die Augen auf, und ihr stechender Blick verriet, wie sehr sie die Situation genoss. Sie grinste.
    »Wenn ich aufstehen könnte, würde ich dich fressen.«
    Amaia rannte stolpernd zur Tür. Ihre Mutter sah ihr nach mit ihren bösartigen Äuglein, mit diesem Grinsen im Gesicht. Dann begann sie zu lachen, lachte so schallend, wie ein Mensch mit schwerer Atemnot nicht lachen konnte. Amaia trat auf den Gang, schloss die Tür hinter sich und wartete, bis Flora zurückkam.
    »Warum stehst du hier draußen rum?«, blaffte Flora sie an. »Du solltest bei ihr sein.«
    »Ich habe nur mal geschaut, wo du bleibst. Ich muss nämlich los.«
    Flora sah auf die Uhr und zog die Augenbrauen hoch. Diese vorwurfsvolle Geste hatte Amaia schon so oft gesehen.
    »Und Mutter?«
    »Schläft.«
    So war es auch. Als sie eintraten, lag ihre Mutter da und schlief.

32
    A ls Amaia nach Hause kam, lag eine Nachricht von James auf dem Tisch: Er sei mit Tante Engrasi essen gegangen, anschließend würden sie ein wenig durch den Wald spazieren; im

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