Das Echo dunkler Tage
machten sich Sorgen, was mit der toten Prinzessin passieren würde.
»Wir geben sie ihren Eltern zurück, und die begraben sie dann und streuen Blumen auf sie.«
Die Kinder sahen sich gegenseitig an und nickten zufrieden.
»Vielleicht dürft ihr ja ihr Grab auf dem Friedhof besuchen.«
Sie strahlten. Die Eltern sahen Iriarte empört an und bugsierten ihre Sprösslinge Richtung Ausgang.
Amaia setzte sich vor die Tafel, an der nun auch Johanas Foto hing. Sie wunderte sich noch einmal darüber, was in einem kindlichen Gemüt so alles vor sich ging. In diesem Moment kam Iriarte mit Zabalza zurück, lächelte sie an und stellte ein Glas Milchkaffee vor sie.
»Schneewittchen«, sagte er. »Die Kleinen tun mir jetzt schon leid. Bestimmt schleppen die Eltern sie schnurstracks zum Psychologen. Und mit ihren Abenteuerexkursionen in die Berge ist jetzt garantiert Schluss.«
»Mag sein. Aber was würden Sie tun, wenn es Ihre Kinder wären?«
»Ich würde versuchen, nicht zu hart zu sein. Früher hätte ich vielleicht anders reagiert, aber ich habe in den letzten Jahren viel dazugelernt. Das mit den Streifzügen in die Berge, in den Wald, zum Fluss, das haben wir doch alle gemacht, Sie bestimmt auch.«
»Sicher, war ganz normal. Aber eine Leiche, das ist was anderes. Ich hätte gedacht, da würden Kinder schreiend davonrennen.«
»Was die meisten wohl auch tun würden. Aber wenn der erste Schreck erst mal vorbei ist, legt sich die Angst ziemlich schnell. Angst hat sowieso mehr mit dem zu tun, was man sich ausmalt, als mit dem, was wirklich ist. Deshalb sind Kinder auch so anfällig, weil sie noch nicht zwischen realer und eingebildeter Gefahr unterscheiden können. Vermutlich sind sie furchtbar erschrocken, als sie die Leiche entdeckt haben, aber dann hat die Neugier gesiegt, dieser morbide Reiz, den gerade auch Kinder verspüren. Als ich sieben war, haben wir mal eine tote Katze gefunden, die haben wir auf einer Baustelle vergraben, in einem Kieshaufen. Wir haben aus zwei Stöcken ein Kreuz gebastelt, Blumen auf das Grab gelegt und sogar gebetet. Eine Woche später haben Freunde meines Bruders sie wieder ausgegraben, nur um nachzuschauen, in welchem Zustand sie war.«
»Das war eine tote Katze, aber hier haben wir es mit einem toten Menschen zu tun, das ist was anderes. Schon allein dadurch, dass wir uns mit ihm identifizieren.«
»Wir Erwachsenen schon, aber nicht Kinder. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass so was vorkommt. Vor einigen Jahren wurde auf den Obstplantagen von Tudela die Leiche eines Mädchens gefunden, das Tage zuvor verschwunden war. Sie wurde von einigen Jungs entdeckt, die es aber nicht der Polizei meldeten, sondern die Leiche mit Plastikplanen und Ästen zudeckten. Am Ende stellte sich heraus, dass sie an einer Überdosis gestorben war, aber am Anfang war die Polizei doch ziemlich verwirrt.«
»Unglaublich.«
»Aber wahr.«
Jonan klopfte und trat direkt ein.
»Inspectora, Teniente Padua hat gerade angerufen. Jasón Medina wurde in Goramendi verhaftet, in einer Berghütte in der Region von Eratzu. Auch das Auto hat man gefunden, ungefähr zwölf Kilometer von dort entfernt, versteckt zwischen Bäumen. Im Kofferraum lag eine Tüte mit der Kleidung des Mädchens, ihrem Pass und einer Plüschmaus. Er wurde in die Kaserne von Lekaroz gebracht. Teniente Padua lässt Ihnen ausrichten, dass er mit dem Verhör wartet, bis Sie da sind.«
»Wie nett von ihm!«, spottete Iriarte.
»Von wegen! Er schuldet mir noch einen Gefallen«, erklärte Amaia und nahm ihre Tasche.
Die Kaserne der Guardia Civil war im Vergleich zum Kommissariat ziemlich veraltet, besaß allerdings ein modernes Überwachungssystem mit Kameras der neuesten Generation. An der Tür wurde Amaia von einem uniformierten Beamten begrüßt, der sie in ein Büro rechts des Eingangs führte. Dort nahm ein weiterer Beamter sie in Empfang. Sie folgte ihm durch einen engen, spärlich beleuchteten Gang, bis sie vor einer Tür standen, deren Holz stark verzogen war. Außerdem hatte man offensichtlich schon mehrfach die Schlösser ausgetauscht. Sie kamen in einen großen, gut beheizten Saal. Neben dem Eingang befand sich eine Nische in der Wand, in der ein mit Ähren verziertes Bild der Jungfrau Maria der Unbefleckten Empfängnis hing. Links und rechts standen jeweils eine Reihe von Tischen mit Stühlen, und an einem der Tische saß ein ungefähr fünfundvierzig Jahre alter Mann in Handschellen. Er war klein und dünn, und obwohl er einen
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