Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
davon zu überzeugen«, warf ich ein. »Wenn sie einverstanden ist, stehe ich jederzeit zu Diensten. Das können Sie ihr gern ausrichten.«
»Ach, Max - was redest du denn da! Lady Melamori ist eine seriöse Frau und hat ihre eigenen Methoden.
Deshalb ist dir unsere schlimmste Freiwillige ja auf die Spur getreten.«
»Was hat sie getan? Ist sie verrückt geworden?«
»Das würde ich nicht sagen. Sie war schon immer so.«
»Und Sie sind sicher, dass sie auf meine Spur getreten ist? Ich hab mich doch die ganze Zeit gut gefühlt!«
»Ach ja? Und die Kicheranfälle?«
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. War Lady Melamori mir wirklich auf die Spur getreten? Na wenn schon! Welche Folgen hatte so was normalerweise? Doch mindestens eine schwere Depression! Das gehörte nun mal zu den Pflichten einer Verfolgungsmeisterin - und genau in dieser Funktion arbeitete sie in unserer Abteilung. Was war ich doch für ein Trottel! Die Dame meines Herzens war mir auf die Spur getreten, und ich hatte nichts davon gemerkt, sondern nur eine seltsame Ausgelassenheit verspürt. Als wäre ich ein rosiges und dennoch dickfelliges Ferkel, ein Mutant also, eine Missgeburt! Ich hasste mich.
Es gab noch einen Grund, empört zu sein. »Ich dachte, sie hätte sich nach meiner Stimmung erkundigt, weil sie ehrlich beunruhigt war; ich glaubte, sie hielt mich für krank, weil ich einmal nicht zur Arbeit gekommen bin; ich habe mir eingebildet, sie könnte es nicht erwarten, bis ich wieder im Haus an der Brücke auftauche - und jetzt stellt sich heraus, dass sie nur Experimente gemacht hat. Wie kränkend!«
»Nimm das alles nicht so ernst«, meinte Juffin und zuckte die Achseln. »Sie hat dich - wie sie glaubt - aus gutem Grund gefragt. Hättest du dich über Schwermut beklagt, hätte sie gleich mit ihrem Experiment aufgehört und wäre mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Weißt du, für Lady Melamori ist ihre Gabe zugleich eine Frage des Schicksals und der Ehre. Anderen auf die Spur zu treten, ist eigentlich ihr einziges Talent, und sie hat es an uns allen zu erproben versucht, auch an mir. Am Anfang ihrer Beschäftigung in meiner Abteilung hat sie versucht, mich zu durchleuchten.«
»Ich kann mir vorstellen, wie das gelaufen ist.«
»Ach, das war nichts Besonderes. Ich hab ihr meinen Ersten Schild gezeigt, statt mich über sie zu ärgern. Man muss ihr aber lassen, dass sie schon nach einer Stunde wieder topfit war. Unsere Lady ist nun mal sehr zäh.«
»Was ist denn der Erste Schild?«, fragte ich interessiert.
»Ein Euphemismus für einen individuellen Schutz, Max. Dass es sich dabei um den Ersten Schild handelt, bedeutet nur, dass er für deinen Gegner besonders gefährlich ist. Was kann ich dir noch beibringen? Du selbst hast mehr Schilde als jeder andere Mensch in Echo. Sogar mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Und du wirst sie gewiss alle mal brauchen, doch im gegenwärtigen Fall hilft nur Erfahrung. Stell dich nicht so an! Du kennst dich nur noch nicht richtig in der Fachterminologie aus.«
»Lady Melamori ist wirklich ein Früchtchen!«, meinte ich seufzend und goss mir eine neue Portion Kamra ein, um meine Stimmung aufzuhellen. »Da hat sie eine solche Gabe zur Verfügung, und dann benimmt sie sich wie ein Kind!«
»Bist du sauer auf sie? Nicht doch! Jetzt ist sie ganz niedergeschlagen.«
»Ach nein, ich bin nicht mehr sauer. Ich trauere nur um mein gebrochenes Herz.«
»Ich hab dir ja von Anfang an gesagt, dass du mit der Wahl deiner Herzensdame keine gute Entscheidung getroffen hast. Bist du nie auf die Idee gekommen, Max, dass es sich lohnen könnte, auf Ältere zu hören?«
Ich seufzte und schnitt die zweite Pirogge in Scheiben. Was für ein gefühlloser Mensch ich doch bin! Nicht mal ein gebrochenes Herz kann meinen Appetit zügeln - das hat sich schon mehrfach erwiesen.
»Willst du über dieses Ereignis nichts weiter erzählen?«, fragte Juffin neugierig, als ich mit der Pirogge fertig war.
»Ich weiß nicht. Eigentlich sollte ich Lady Melamori zu allem Möglichen befragen. Wie konnte es nur passieren, dass ich nichts gespürt habe? Mir widerfahren seltsame Dinge. Und was geschieht, wenn ich irgendwann ein Verbrechen begehe? Dann kann ich gleich abhauen. Anscheinend bin ich ein ziemlich gefährlicher Typ.«
»Natürlich - gefährlicher als viele andere«, bemerkte Juffin zufrieden und mit der Miene eines Künstlers, der gerade ein Meisterwerk geschaffen hat.
»Es ist alles so seltsam. Als ich noch auf der
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