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Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling

Titel: Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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bläulich schimmernden Turban und hatte obendrein riesige Handschuhe aus grobem Leder an, auf denen Buchstaben des Runenalphabets prangten ... Mein Kulturschock dürfte also nur zu verständlich sein!
    Die Begrüßung des neuen Kollegen verlief indessen ohne Überraschungen. Wir beendeten die Formalitäten rasch und setzten uns zu Tisch. Lonely-Lokley nippte feierlich an seiner Kamra. Ich erwartete noch immer, er werde Trommelstöckchen aus der Brusttasche ziehen, und saß wie auf Kohlen da.
    »Ich habe viel von Ihnen gehört, Sir Max!«, wandte sich mein neuer Kollege höflich an mich. »In der Freizeit blättere ich häufig in Büchern. Darum wundert mich Ihre Ernennung nicht. Viele bekannte Forscher weisen auf beachtliche Traditionen hin, die bei den Bewohnern der Leeren Länder die Entwicklung magischer Praktiken begünstigt haben, Praktiken, die wir übernommen haben. Selbst Sir Manga Melifaro erwähnt im dritten Band seiner Enzyklopädie der Welt Ihre Landsleute.«
    »Melifaro?«, staunte ich. »Wollen Sie damit sagen, dass dieser Bursche nicht nur das Tagesantlitz des Ehrwürdigen Leiters ist, sondern obendrein die Enzyklopädie der Welt geschrieben hat? Das hätte ich nicht gedacht.«
    »Wenn Sie meinen Arbeitskollegen im Sinn haben, kann ich mich Ihnen nur anschließen. Sir Melifaro ist kaum zu systematischer wissenschaftlicher Arbeit geeignet«, nickte Lonely-Lokley.
    »Manga Melifaro, der Verfasser der Enzyklopädie der Welt, die ich immer wieder für meine Bibliothek zu kaufen vergesse, ist der Vater des armen Tropfs, der am Spiegel hängt«, erklärte Juffin. »Wenn dieses Abenteuer glücklich überstanden ist, werde ich Sir Melifaro verdonnern, uns beiden eine komplette Ausgabe der Werke seines Vaters zu schenken. Der Arme wird sich bestimmt darüber freuen, weil sein ganzes Haus von Vaters Geschreibsel überquillt. Man kann sich bei ihm kaum noch bewegen.«
    Sir Lonely-Lokley wartete geduldig, bis wir fertig waren, und fuhr dann fort: »Sie sind mir ins Wort gefallen, mein Herr. Ich wollte noch sagen, dass Sir Manga Melifaro im dritten Band seines Werks schreibt: >An den Grenzen der Leeren Länder wohnen die unterschiedlichsten Leute, die mitunter über erstaunliche Fähigkeiten verfügen - nicht nur wilde Barbaren, wie bisher angenommen.« Darum freue ich mich sehr, Sie kennenzulernen, Sir Max.«
    Im Namen aller Bewohner der Grenzgebiete sprach ich dem Großherzigen Meister, den man auch Schnitter des Lebensfadens nennt, meine Dankbarkeit aus.
    »Also, Leute, gehen wir!«, rief Juffin schließlich und stand auf. »Übrigens, Sir Schürf - wir brauchen noch einen Spiegel. Der größte hängt im Flur. Den hab ich auf dem Flohmarkt gekauft, zu Beginn der Epoche des Gesetzbuchs. Damals gab es hier noch keine Antiquitätenläden, obwohl die Nachfrage nach Luxuswaren gerade angezogen hatte. Nicht die günstigste Zeit für Neuanschaffungen also. Ich fürchte, das war der teuerste Spiegel des Linken Flussufers - runde fünf Kronen hat er mich gekostet. Was man nicht alles opfern muss!«
    Wir gingen in den Flur. Der Spiegel war wirklich riesig und zweifellos seine fünf Kronen wert - auch wenn ich mich damals in den ökonomischen Verhältnissen von Echo noch nicht so gut auskannte.
    Wie sollen wir das bloß schaffen?, dachte ich erschrocken. Aber zu dritt geht es vielleicht.
    Juffin regelte das anders. »Schürf, nimm ihn! Wir gehen!«
    Ich hatte mir schon gedacht, dass der stets so förmliche Sir Schürf über legendäre Körperkräfte verfügte.
    Darum war er für die ganze Sache ja auch so wertvoll. Aber er trug den schweren Spiegel gar nicht, sondern fuhr mit behandschuhter Pranke lässig von oben nach unten übers Glas ... und ließ ihn dabei in der Hand verschwinden. Mir klappte die Kinnlade runter.
    »Juffin, können Sie mir das auch beibringen?«
    Meine Selbstbeherrschung reichte gerade noch dazu, nicht zu schreien, sondern Stumme Rede zu benutzen. Vielleicht konnte hier ja jeder so etwas problemlos schaffen?
    »Na klar«, antwortete Juffin ungerührt. »Oder Sir Schürf übernimmt das. Erinnere uns daran, wenn wir mehr Zeit haben.«
    Das Haus von Sir Makluk ähnelte einer verwahrlosten Gruft. Sir Lonely-Lokley, der stets nach Vorschrift vorging, öffnete die Tür und betrat als Erster das Schlafzimmer. Wir folgten ihm. Seit unserem letzten Besuch hatte sich nichts geändert.
    Als ich den armen, reglosen Melifaro sah, verließ mich der Mut. Wie hatte ich glauben können, es ließe sich noch was machen?

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