Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
bemerkte ich ungerührt. Der Bote von Sir Makluk war vor ungefähr zwölf Stunden gekommen.
Die Kamra schmeckte fantastisch. Als zweiten Gang brachte uns der unerschütterliche Kimpa winzige Kekse, die uns im Munde zergingen. Der verschlafene Hund Chuf kam zu uns und wedelte mitfühlend mit dem Schwänzchen. Schweigend wetteiferte ich mit Sir Juffin, wer mehr Kekse an das Tier verfütterte. Chuf wollte uns beide zufriedenstellen und tollte wie ein kleiner flauschiger Torpedo durchs Zimmer. Als er satt war, legte er sich unterm Tisch zwischen uns, damit keiner beleidigt war.
»Max«, begann Juffin betrübt. »Ich glaube inzwischen, dass Melifaro eine kleine Chance hat. Es reicht nicht, ihn bloß aus dem Zimmer zu tragen und wieder zu Bewusstsein zu bringen. Er gehört schon zum Spiegel, und diese Verbindung darf nicht unterbrochen werden, solange sein Leben angehalten ist. Wenn das Spiegelmonster erwacht, nimmt es seine Kost von überall, notfalls aus der anderen Welt. Natürlich kann man das Geschöpf vernichten. Schürf Lonely-Lokley beispielsweise kann das. Aber ich glaube, niemand ist imstande, das Ungeheuer so schnell zu töten, dass Melifaro am Leben bleibt. Sollen wir also alles lassen, wie es ist? Aber es kann doch nicht immer so bleiben! Ich muss das Rätsel des Spiegels und seines hungrigen Bewohners lösen! Doch das geht nicht, solange wir das Monster in Ruhe lassen. Damit ich die Bestie vernichten kann, muss ich sie wecken. Dann aber verspeist sie zuletzt noch Sir Melifaro, und zu diesem Opfer bin ich nicht bereit - das versteht sich wohl von selbst. Daran will ich nicht einmal denken. Ein Teufelskreis, Max, ein echter Teufelskreis!«
Zerstreut nahm ich noch einen Keks. Ich hätte nie gedacht, dass Sir Juffin - ein Mensch immerhin, der mich ganz nebenbei von einer Welt in die andere versetzt hatte - so müde und verloren sein konnte. Ich begriff, dass selbst seine Macht Grenzen hatte, und fühlte mich plötzlich einsam und unwohl. In der leblosen Stille des Wohnzimmers klang mein Keksknabbern ausgesprochen laut. Der Teufelskreis ... der Spiegel... der Teufelskreis ... Mir stockte der Atem. Konnte es wirklich so einfach sein? Warum war Sir Juffin nicht auf diese Lösung gekommen?
»Juffin«, rief ich heiser, räusperte mich und begann erneut. »Es klingt vielleicht dumm, aber Sie haben doch von einem Teufelskreis gesprochen. Wenn man dem Spiegel nun einen zweiten gegenüberstellt, ist das doch auch ein Teufelskreis! Und wenn die Bestie ihr eigenes Bild sieht - könnte es dann nicht sein, dass sie eine Vorliebe für sich selbst entdeckt?« Nach diesen Worten nahm ich meinen Mut zusammen und sah Sir Juffin in die Augen. Er schaute mich mit offenem Mund an.
»Sündige Magister! Begreifst du eigentlich, was du da gesagt hast, Junge? Wozu hab ich dich überhaupt am Hals? Weißt du, was für ein Wesen das ist? Sag mal ehrlich!«
Diese Reaktion hatte ich - offen gesagt - nicht erwartet. Zuerst genoss ich die Wirkung meiner Worte, dann aber war sie mir peinlich. Ich hatte anscheinend nichts Besonderes vorgeschlagen. Es war nicht einmal klar, ob es funktionieren würde. Immerhin allerdings flüsterte mir etwas zu, es würde klappen. Auch in Juffin schien die gleiche Ahnung zu jubeln. »Das wird funktionieren«, rief er. »Und ob!«
Ich stand vom Tisch auf, streckte mich und ging zum Fenster. Die herrliche Morgendämmerung hätte für jede schlaflose Nacht entschädigen können. Wer sich an die Gegenwart hält und nicht in der Vergangenheit stochert, den begeistert das Morgenrot. »Geh endlich schlafen, Max«, riet mir Juffin. »Ich habe Lonely-Lokley gerufen. In vier Stunden ist er da. Sir Schürf und seine Zauberhände. Das wird dir gefallen. Bis dahin kannst du dich erholen. Ich rate dir, diese Gelegenheit nicht zu versäumen.«
»Was für Zauberhände?«
»Das wirst du schon sehen, Max. Sir Lonely-Lokley ist unser ganzer Stolz. Achte nur darauf, die Bestandteile seines Namens nicht durcheinanderzubringen. Da ist er nämlich sehr empfindlich - und nicht nur, was das anlangt. Ich kann gar nicht beschreiben, was für ein Vergnügen dich erwartet. Und jetzt ab in die Heia.«
Mir war nicht nach Widerspruch. Stattdessen ging ich ins Schlafzimmer, legte mich ins weiche Bett, kuschelte mich in meine flauschige Decke und konnte mein Glück kaum fassen: endlich Ruhe! Ich war unbeschreiblich müde, doch etwas störte mein Behagen. Mühsam hob ich den Kopf und musste die Lider beinahe mit den Fingern
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