Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
Buriwuch war, wie ich rasch begriffen hatte, viel interessanter, als sich durch einen Stapel Papiere zu arbeiten. Ich konnte es nicht erwarten, diese erstaunlichen Tiere zu sehen. Deshalb erschien mir der Mann, der seine Arbeitszeit mit ihnen verbrachte, als eine äußerst nützliche Bekanntschaft.
»Wieso bist du allein gekommen, Lukfi?«, fragte Juffin den Obersten Wissenshüter. Sir Penz setzte sich neben mich und nutzte die Gelegenheit, den Saum seines Mantels in meine Tasse zu tauchen. Das war vorderhand sein letztes Missgeschick.
Als ich seine Gesichtszüge musterte, merkte ich, dass Lukfi Penz nicht mehr der Jüngste war. Er gehörte bloß zu den Leuten, die sehr lange kindlich aussehen, um sich dann plötzlich ihrem Alter optisch anzupassen.
Lukfi lächelte verlegen und sagte: »Wissen Sie, Sir Juffin, die Übrigen versuchen gerade, ein ernstes philosophisches Problem zu lösen - den Konflikt von Macht und Verantwortung.«
»Sündige Magister! Worum geht's denn?«
»Nicht aufregen, Sir! Die drei müssen nur entscheiden, wer von ihnen in der Verwaltung bleibt. Sir Melifaro, Ihr Tagesantlitz, soll - so wollen es die Vorschriften - im Haus an der Brücke bleiben, wenn Sie unterwegs sind. Außerdem kennt er Sir Max schon, so dass sich die Frage der Etikette nicht mehr stellt. Als Ihr Vertreter und unser Vorgesetzter darf er andererseits darüber entscheiden, werbleiben soll.«
Juffin lachte los, und Sir Kofa schmunzelte verständnisvoll.
» Als ich das Haus an der Brücke verlassen wollte«, fuhr Lukfi fort und trank gedankenverloren einen Schluck Tränen der Finsternis aus meinem Glas, »erklärte Lady Melamori, sie kenne Sir Max noch nicht, habe aber keine Lust auf lange Diskussionen, sondern werde in ein anderes Zimmer gehen und dort auf das Ende des sinnlosen Streits warten. Hier erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein: Die Diskussion, wer gehen darf und wer bleiben muss, ist auf jeden Fall interessant und nützlich. Dann ist mir noch etwas aufgefallen: Sir Melifaro glaubt womöglich, auch ich sei ein Mitarbeiter des Geheimen Suchtrupps und er könne daher auch mir befehlen zu bleiben. Um dieser Gefahr zuvorzukommen, war ich unhöflich und bin schnell gegangen.«
»Gib Max sein Glas zurück und nimm deins, es ist voller«, flüsterte Sir Kofa Joch ihm sanft zu. »Pass auf - vielleicht ist so eine Verwechslung für einen Bewohner der Leeren Länder ja die schlimmste Beleidigung. Und Sir Max ist in seinem Zorn grausamer, als du dir vorstellen kannst.«
Lukfi Penz sah so erschrocken wie interessiert drein. »Ist das wahr, Max?«
»Sie haben Glück, Sir Lukfi«, sagte ich lächelnd. »Bei uns gilt so eine Verwechslung als kürzester Weg zu einer tiefen Freundschaft. Traditionsgemäß muss ich nun Ihr Glas austrinken. Das tue ich natürlich gern, weil es viel voller ist!«
Sir Juffin schaute mich mit fast väterlichem Stolz an. Lukfis Miene hellte sich wieder auf: »Sehen Sie, Kofa! Und Sie sind gleich von einer Beleidigung ausgegangen! Ich hab bloß einen guten Instinkt. Als ich noch in der Schule war ... ach, meine Herren, verzeihen Sie die Abschweifung, meine Schuljahre sind bestimmt kein interessantes Tischgespräch.« Er wandte sich an mich. »Stimmt es, dass Sie allein und nur nachts arbeiten werden? Wissen Sie, die Nacht ist die merkwürdigste Zeit des Tages. Ich habe immer die beneidet, die es abends nicht ins Bett zieht. Meine Frau Warischa meint zum Beispiel auch, das echte Leben beginne nach Sonnenuntergang. Darum gelingt es mir selten auszuschlafen«, beendete der aufgeregte Mann seine Rede verlegen.
»Macht doch nichts«, tröstete ich den armen Sir Lukfi. »Sie haben bestimmt andere Vorteile.«
»Seht mal, das Verantwortungsgefühl hat gewonnen«, bemerkte Juffin. »Seid gegrüßt, Sieger!«
Ein ziemlich auffälliges Pärchen kam auf uns zu. Der große Sir Schürf Lonely-Lokley mit seinem Charlie Watt-Gesicht trug wie immer Weiß. Er hatte eine kleine, äußerst flinke Frau in elegantem dunkelblauem Lochimantel am Arm. Ich hatte eine Amazone mit breitem Kreuz erwartet, bekam hingegen eine blau gekleidete Elfe zur Kollegin, die das Gesicht von Diana Rigg hatte, einem klassischen Bond-Mädchen. Wie es hier wohl um Affären am Arbeitsplatz bestellt war? Das würde ich Juffin bestimmt demnächst fragen.
Aber Scherz beiseite. Die Dame sah nicht nur gut aus - in ihren dunklen Augen funkelten auch Klugheit und Lachlust. Für mich sind das zwei Seiten einer Medaille. Außerdem spürte ich am
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