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Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling

Titel: Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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der Zelle stand Sir Lonely-Lokley.
    »Du hast Doperst mitgebracht!«, empörte sich Machligl Annoch, als hätten wir vor unserer Begegnung Regeln ausgehandelt, gegen die ich nun verstoßen würde.
    »Du bist kein Persjet«, fügte das Gespenst aufgebracht hinzu. Offenbar hoffte es, ich würde mich schämen und Schürf wieder in meine Hand verbannen. Ich glaube, Sir Annoch war in den letzten fahren etwas wirr im Kopf geworden, weil er vor allem mit schwachen, erschrockenen Häftlingen zu tun gehabt hatte.
    »Du bist auch kein Persjet!«, antwortete ich bissig.
    Die Verlegenheit des Gespensts kam Schürf und mir sehr zupass, denn Sir Lonely-Lokley brauchte etwas Zeit, die schützenden, mit Runen übersäten Handschuhe auszuziehen. Solange wir uns mit dem toten Magister gezankt hatten, hatte Schürf notwendige Vorbereitungen treffen können. Als seine tödlichen Hände nun die Wände der Zelle mit ihrem Glanz beleuchteten, erschien mir das Leben wieder als leichte, angenehme Übung. Wie ein nettes Märchen, an dessen Ende sich die guten Nachrichten häufen, auf dass jeder Beteiligte sich die Neuigkeiten aussuchen kann, die ihm am besten passen.
    Damals wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass meine Überlebenschancen so gut wie null waren.
    Schuld daran war natürlich ich selbst. Weil ich bis dahin noch nie mit einem in Rente lebenden Großen Magister zu tun gehabt hatte, entschied ich leichtsinnig, uns bliebe noch genügend Zeit, ihn zu töten. Mein Leichtsinn verführte mich sogar dazu, das seltsame Gespenst ins Haus an der Brücke bringen und dort mit großer Geste meinen Kollegen präsentieren zu wollen. Wie das aber hätte geschehen sollen, wusste ich selber nicht. Meine Kenntnisse in diesem Bereich jedenfalls waren sehr bescheiden: Die Grundlagen der Metaphysik hatte man weder am Gymnasium - das ich nur mit Ach und Krach abgeschlossen hatte - unterrichtet noch an der Universität, von der ich in hohem Bogen geflogen war.
    Meinen leichtsinnigen Geistesblitz hatte ich dem Kollegen Schürf allerdings nicht mitgeteilt. Und weil niemand im ganzen Kosmos disziplinierter sein dürfte als er und weil ich die Operation leitete, waren meine Befehle seiner Ansicht nach ohne Nachdenken zu befolgen. Auch die unsinnigsten Befehle!
    Die rechte Hand, mit der Lonely-Lokley sein Gegenüber normalerweise erstarren lassen konnte, erwies sich als wirkungslos. Schlimmer noch: Das Gespenst begann plötzlich zu wachsen und wurde dabei immer durchsichtiger - und zwar so schnell, dass der transparente Kopf der Erscheinung schon nach wenigen Sekunden direkt unter der Decke hing.
    »Der dumme Doperst!«, rief Machligl Annoch. »Er kann nicht töten! Verschwinde, Doperst!«
    Das Gespenst schenkte Sir Lonely-Lokley keine Beachtung mehr, sondern langte nach mir und schaffte es, mich zu berühren. Das fühlte sich an wie ein kalter, feuchter Wackelpudding, ließ mir die Galle hochsteigen und bereitete mir am ganzen Körper Schmerzen. Bis heute begreife ich nicht, wie ich diese Berührung habe überleben können. Nicht einmal das Bewusstsein habe ich verloren, sondern stattdessen laut gerufen: »Mach ihn nass! Mach ihn nass!«
    Sündige Magister! Wo hatte ich damals nur meinen Verstand gelassen?
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Sir Lonely-Lokley seine wunderbaren Hände aneinanderlegte und die Zeigefinger kreuzte. Dieser vielversprechenden Geste folgten allerdings keine Taten. Eine weitere qualvolle Sekunde verging. Ich verstand überhaupt nichts mehr.
    Warum brachte Schürf ihn nicht um? Der menschenähnliche Wackelpudding umzingelte mich gefährlich.
    Dann passierte das Unglaubliche, das dieser Nacht das gewisse Etwas verlieh. Die aneinandergelegten Hände von Sir Lonely-Lokley zogen in der Dunkelheit eine seltsame Linie, und dann prasselte ein Wasserfall auf uns nieder. Der tonnenschwere Schwall drückte die transparente Gestalt zu Boden. Erst begriff ich nicht, was da passierte, hob mein Gesicht aber vergnügt dem erfrischenden Guss entgegen. Diese Dusche war dringend notwendig gewesen.
    Doch unser Gegner erwies sich als enorm zäh. Natürlich hatte das Wasser ihm nicht schaden können, sondern diente nur seiner nächsten Verwandlung. Nach der Dusche schrumpfte das Gespenst wieder. Gerade war es noch groß und durchsichtig gewesen; nun war es wieder klein, kompakt und blickdicht.
    Ich weiß katastrophal wenig über Astronomie und habe darum keine Ahnung, wie man Himmelskörper mit hohem spezifischem Gewicht nennt. Nur dass es sich dabei

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