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Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari

Titel: Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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die Trunkene Flasche den Großteil des Gebäudes in Beschlag. Es war ein angenehmes Lokal, dessen Atmosphäre keinesfalls seinem nach Absturzkneipe klingenden Namen entsprach. Ich war im Herbst schon mal hier gewesen und hatte mich sogar mit dem Wirt unterhalten, einem nicht sehr großen Mann mit ungemein fülligem rotem Haar. Damals trug ich den Todesmantel noch nicht und erntete nirgendwo ein angespanntes Lächeln oder einen verängstigten Blick.
    Ich seufzte erneut und ging nach oben. Hätte Lady Tanita gewusst, wie sehr ich mich ohne sie fürchtete! Ich fühlte mich wie ein Kind, dessen Eltern zum ersten Mal allein ins Kino gehen. Aber es half nichts: Ich musste den Fall untersuchen.
    Schweren Herzens öffnete ich die Schlafzimmertür und atmete den merkwürdigsten Geruch ein, den ich mir in dieser Situation vorstellen konnte: Es roch nach leckerem Essen. Das überraschte mich so sehr, dass ich erstarrte. Dann tastete ich nach dem Lichtschalter, und ein warmes Orange erfüllte das Zimmer. In Echo erhellt man Straßen und Häuser mit einer speziellen Sorte von Leuchtpilzen. Sie vermehren sich in besonderen Gefäßen, die auch als Lampenschirme dienen. Der Trick besteht darin, dass die Pilze zu leuchten beginnen, wenn sie etwas stört. Deswegen sendet der Lichtschalter lediglich Signale aus, die ihnen unangenehm sind und sie verärgert reagieren lassen.
    Das orangefarbene Licht der Pilze gefällt allerdings nicht jedem. Viele Ästheten - Sir Juffin zum Beispiel -bevorzugen Kugeln mit bläulichem Gas. Ich war an das blaue Licht gewöhnt, weil ich anfangs lange bei ihm gelebt hatte, und hatte mir die gleiche Lichtquelle für mein eigenes Haus beschafft. Aber das warme Orange gefiel mir jetzt sehr.
    Kaum hatte ich die Pilze verärgert, konnte ich mich in aller Ruhe umschauen.
    Mitten auf dem flauschigen Teppich lag etwas zwischen durcheinandergeworfenen Kleidungsstücken. Es trug tatsächlich eine Art Pyjama: eine Skaba aus Frottee. An so eine Scheußlichkeit hatte ich mich zum Glück nie gewöhnt. In Skaba und Lochimantel herumzulaufen, ist eine Sache, doch sich mit etwas ins Bett zu legen, das an Großmutters Nachthemd erinnert, ist etwas ganz anderes. Meiner Meinung nach ist es ohnehin das Beste, nackt ins Bett zu gehen.
    Das merkwürdige Etwas auf dem Boden gehörte also schon deshalb zu meinen Feinden, weil es einen Pyjama trug. Damit allerdings waren seine Ähnlichkeiten mit einem Menschen auch schon zu Ende. Vor mir lag tatsächlich eine Pastete, deren Duft mich schwindeln machte und mir irgendwie bekannt vorkam.
    Ich näherte mich ihr. Das erwies sich als Zerreißprobe für meine Nerven. Beinahe hätte ich mich trotz des herrlichen Aromas übergeben, denn die Pastete hatte die Züge eines Gesichts und wies einen Rest von roter Mähne auf, an die ich mich noch gut erinnern konnte, obwohl ich den armen Karwen nur einmal gesehen hatte. Lady Tanita hatte Recht: Sie musste die Hoffnung wohl aufgeben, dass ihr Mann noch zu retten war.
    »Sündige Magister!«, rief ich ratlos. »Was soll ich bloß machen?«
    Ich ging wieder hinunter in das dunkle Restaurant und schenkte mir aus der erstbesten Flasche etwas ein. In der Finsternis sah ich nicht, was ich trank, doch es schmeckte. Dann stopfte ich meine Pfeife. An den hiesigen Tabak hatte ich mich noch immer nicht gewöhnt, aber er war besser als nichts.
    Ich saß allein hinter der Theke, schlürfte ein mir unbekanntes Getränk und rauchte. Das brauchte ich einfach, um meine Gedanken zu ordnen. Ich wusste, dass ich weder Melifaro noch Sir Juffin in dieser Angelegenheit um Hilfe bitten durfte. Sie hatten Erholung verdient, und ich war klug genug, elementare Dinge allein zu schaffen. Das ist schließlich meine Aufgabe.
    Nachdem ich die Lage lange genug überdacht hatte, ging ich zurück ins Schlafzimmer, wo mir der aromatische Duft erneut bekannt vorkam. Wo war er mir nur schon mal begegnet? Im Fressfass sicher nicht. Dort roch es zwar seltsam, aber deutlich anders. Und auch nicht im Gesättigten Skelett, aus dem ich täglich mein Frühstück bekam. Der Duft aus dem Schlafzimmer verfolgte mich geradezu, doch ich konnte mich nicht erinnern, woher er stammen mochte. Auch in der Küche meiner Großmutter hatte es so nicht gerochen, obwohl ... Ich war verwirrt, wie es ja oft passiert, wenn man sich fieberhaft auf etwas Wichtiges besinnen will.
    Schließlich machte ich eine wegwerfende Handbewegung und griff nach meinem Dolch, dessen Magieanzeiger mich darüber belehrte, dass

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