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Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari

Titel: Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frei
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einen an. Er steht natürlich auf Papier, weil Gefangene keine sich selbst beschriftenden Tafeln benutzen dürfen. Aber soweit ich weiß, kommst du mit Papier klar.«
    Juffin öffnete eine Schatulle, nahm ein quadratisches Blatt heraus und gab es mir. Neugierig begann ich, die stark nach rechts geneigte Handschrift zu lesen:
    Siz Ehrwürdiger Leiter,
    ich fürchte, Sie haben mir keinen Glauben geschenkt, doch die Stadt Kettari ist wirklich untergegangen. Außer Ruinen steht dort nichts mehr. Ich habe mich nicht verirrt, denn ich kenne meine Heimat wie meine Westentasche. Ich erinnere mich an sieben Wacharibäume am Stadttor - die Bäume stehen noch, das Stadttor nicht. Nur ein Haufen Steine und Reste der Steinmetzarbeiten des alten Kwawa Ulon sind übrig geblieben.
    Ich gab Juffin den Brief zurück. Mein Chef drehte ihn gedankenverloren in den Händen und legte ihn wieder in die Schatulle.
    »Dann ist er gestorben, der arme Pechvogel. Über ein Jahr ist das schon her. Dies hier nun ist sein letzter Brief, der sich ein wenig von den anderen unterscheidet. Auch für seine Korrespondenz gilt die Regel: Je später, desto interessanter.«
    Erneut reichte er mir ein quadratisches Blatt, und wieder las ich die mir nun schon bekannte Handschrift.
    Sir Ehrwürdiger Leiter,
    wieder habe ich mich entschlossen, Ihnen ein wenig Zeit zu rauben. Ich hoffe, dass Sie meine Briefe überhaupt bekommen. Heute Nacht konnte ich wieder nicht schlafen. Immer wieder musste ich an die Trümmer des Stadttors denken, die ich neben den Bäumen entdeckt hatte. Und ich erinnerte mich daran, wie lange Sacho und ich zwischen den Ruinen herumgeirrt sind. Bestimmt hat er dabei den Verstand verloren - und ich das Gedächtnis. Bis jetzt war ich überzeugt, dass wir die Stadt sofort verlassen hatten, heute Nacht aber habe ich mich daran erinnert, dass wir in den Ruinen sogar mein Haus gefunden haben. Und Sacho sagte, ich würde mich unnütz auf regen: Hier stünden doch überall prächtige Häuser, schräg gegenüber sei ein herrlicher Park, und überall würden glückliche Menschen spazieren gehen. Aber ich entdeckte nichts davon. Und als mein Freund dorthin lief, wo er viele Spaziergänger zu sehen glaubte, suchte ich lange nach ihm. Manchmal hörte ich fremde Stimmen, aber aus so großer Entfernung, dass ich nichts verstand. Nur einmal bekam ich mit, dass vom alten Sheriff Machi Ainti die Rede war, und staunte sehr darüber: Schließlich ist dieser Mann schon dreihundert fahre tot, starb also zu einer Zeit, da selbst meine Eltern noch nicht geboren waren. Jedenfalls sagte jemand, der alte Sheriff werde zurückkehren und die Ordnung wiederherstellen. Dann fand ich meinen Freund Sacho. Er saß auf einem Stein, weinte und antwortete nicht auf meine Fragen. Ich nahm ihn an der Hand, und wir kehrten nach Echo zurück. Sir Ehrwürdiger Leiter, denken Sie bitte nicht, dass ich hier etwas zusammenfabuliere. An diese Details konnte ich mich erst heute Nacht wieder erinnern, und ich zweifle sehr, dass mir nun alles präsent ist, was uns dort geschah. Ich bitte Sie, Sir: Versuchen Sie herauszufinden, was in Kettari los ist. Ich habe das Städtchen immer geliebt und meine kleine Schwester dort zurückgelassen. Wenn ich aus dem Gefängnis komme, was bald der Fall sein wird, will ich sie unbedingt finden.
    Mit diesen Worten endete der Brief. Das kleine Stück Papier hatte offenbar nicht gereicht, alle Gedanken des unglücklichen Mannes aufzuzeichnen.
    »Woran ist er eigentlich gestorben?«, fragte ich.
    »Gute Frage. Alles ging sehr schnell. Er war bei herrlichem Wetter spazieren, als plötzlich der Blitz einschlug. Von dem armen Mann blieb nur ein Häufchen Asche. Dann donnerte es, und ein Wolkenbruch prasselte nieder. Zwei Dutzend Tage regnete es ununterbrochen, und das Erdgeschoss des Gefängnisses stand unter Wasser. Damals sind über ein Dutzend Gefangene geflohen. Nunda ist nämlich nicht so gut bewacht wie Cholomi. Weißt du, Max - von Anfang an war ich geneigt, meinem Landsmann zu glauben. Sein Gedächtnisverlust ist nur ein Zeichen dafür, welch enormer Macht er sich gegenübersah. Wie stark mag er sich erschreckt haben, um die Erinnerung zu verlieren? Seit dem letzten Brief und seinem merkwürdigen Tod bin ich sicher, dass er mich auf die Spur einer der seltsamsten Geschichten gebracht hat, die ich je ... Hast du eine Frage, Max?«
    »Ja. Gibt es - von Abenteuern und Ängsten Ihrer unglücklichen Landsleute abgesehen - etwas, wovon Sie mir noch nicht

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