Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
war erstaunlich schnell bereit, uns zu helfen. Das passt eigentlich nicht zu ihr. Anscheinend hat sie eine Schwäche für dich.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Na prima. Also los, Lady Monroe, fahren wir!«
Lady Sotova begrüßte uns an der Tür des kleinen Pavillons, der ihr als Arbeitszimmer diente.
»Was für ein nettes Mädchen! Schade, dass sie nicht echt ist. So eine hätte ich gern als Mitarbeiterin«, sagte sie lächelnd und umarmte mich.
Ich war Lady Sotova gegenüber einmal mehr etwas verwirrt. Noch nie hatte mich jemand so herzlich willkommen geheißen wie diese mächtige Zauberin, die wie eine liebe Oma wirkte.
»Setz dich, Juffin. Weißt du noch, welche Kamra vor fünfhundert Jahren bei uns in Kettari im Alten Haus am Lustigen Platz gekocht wurde? Ich hab versucht, was Ähnliches zusammenzubrauen. Probier mal - es schmeckt dir bestimmt. Und für dich, mein Mädchen oder Bursche, hab ich etwas ganz Besonderes.«
Lady Sotova zog ein Fläschchen aus der Tasche ihres Mantels, das ziemlich alt wirkte.
»Das ist lecker und sehr nützlich - jedenfalls manchmal.«
»Hast du eine Wunderliche Hälfte destilliert, Sotova?«, fragte Juffin und schüttelte erstaunt den Kopf. »Seit dreihundert Jahren hab ich die nicht mehr getrunken!«
»Wozu auch?«, meinte Lady Sotova und lachte schallend. »Wenn du sie dreihundert Jahre nicht getrunken hast, hast du sie auch nicht gebraucht. Du, Max, setzt dich besser. Das ist bequemer. Und jetzt nimm!« Sie reichte mir ein Schnapsglas, in das sie die dunkle, klebrige Flüssigkeit gefüllt hatte, überlegte kurz und nickte dann: »Ja, eins reicht. Damit soll man nicht übertreiben.«
Gehorsam nahm ich das Glas und probierte. Es schmeckte sehr gut - beinahe wie Kachar-Balsam.
»Schau an, er trinkt«, meinte Juffin lächelnd. »Bei mir hätte er eine geschlagene Stunde lang wissen wollen, worum es sich handelt.«
»Er ist ein kluger Bursche«, stellte Lady Sotova fest. »Ich würde auch erst überlegen, ehe ich trinken würde, was du mir eingeschenkt hast, du alter Fuchs.«
Sir Juffin wirkte sehr zufrieden.
»Jetzt entspann dich ein wenig«, meinte die Wundergreisin zu mir. »Ich kann dir sagen, was ich dich hab trinken lassen. Das macht mir nichts aus. Weißt du, in der alten Zeit hat man die Wunderbare Hälfte den Verrückten zu trinken gegeben.«
»Vielen Dank, Lady Sotova«, sagte ich finster. »Sie haben mir wirklich eine Freude gemacht.«
»Hör mir doch erst mal zu, du Dummerchen«, meinte sie heiter. Ihre Gutmütigkeit schien unerschöpflich. »Die Verrückten bekamen das Zeug und benahmen sich plötzlich wieder normal. Das Getränk heißt -Wunderliche Hälfte«, weil es ihnen dazu dienen sollte, jene Hälfte ihrer Seele zu finden, die sich in der Dunkelheit verirrt hat. Es hat lange gedauert, ehe ein kluger Kopf feststellte, dass die Kranken nicht gesund werden, sondern nur geheilt scheinen, da ihre gequälten Seelen sich an einem unbekannten Ort aufhalten. Hast du das verstanden?«
Unentschieden wiegte ich den Kopf.
»Macht nichts. Du bist noch zu jung, aber irgendwann wirst du das begreifen. Jetzt schläfst du gleich ein wenig, und wenn du aufwachst, bist du derselbe Sir Max wie zuvor, wirst dich aber wie eine echte Lady benehmen. Du bleibst, wer du bist, aber die Leute werden glauben, sie hätten es mit jemand anderem zu tun. Ehrlich gesagt ist das kein gutes Getränk, mein Junge. Wenn Leute anders erscheinen wollen, sollen sie etwas dafür tun. All diese Wunder wirkenden Mixturen verwöhnen sie doch nur. Aber einmal - noch dazu bei einer so wichtigen Mission - kann ich eine Ausnahme machen. Ich glaube nicht, dass du lernen solltest, eine echte Frau zu sein - du bist auch ohne diese Fähigkeit ein guter Mann.«
»Vielen Dank, Lady Sotova. In der ganzen Welt sind Sie die Einzige, die mich liebt und lobt«, murmelte ich hingerissen und kämpfte schon mit den ersten Anzeichen von Müdigkeit.
»Jetzt schweig und schlaf. Alles wird gut. Weißt du: Wunder passieren im Schlaf - so ist das nun mal.«
Lady Sotova hüllte mich in eine Wolldecke und wandte sich an meinen Chef.
»Juffin, hast du etwas Zeit, damit wir uns in Ruhe unterhalten können? Du musst doch nicht schon weiter, oder?«
Ich sah meinen Chef gerade noch mit dem Zeigefinger zweimal an die Nase tippen, was in Kettari bekanntlich bedeutet, dass zwei vernünftige Menschen sich immer verständigen können.
Als ich erwachte, war es schon hell. Lady Sotova saß lächelnd neben mir und sah
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