Das Echo Labyrinth 05 - Einfache Zauberdinge
Rituale doch gar nicht.«
»Du hast wirklich seltsame Vorstellungen von Magie«, sagte Schürf erstaunt. »Welche Rituale denn? Entweder hat man die Kraft, eine Flüssigkeit in einem Gefäß mit löchrigem Boden zu halten, oder man hat sie nicht. Unsere Rituale jedenfalls dienen nur dazu, Neulinge einzuschüchtern. Besser gesagt: Wir erschaffen und ändern unsere Rituale nach Lust und Laune.«
»Ich bin nun mal Neuling und möchte nicht eingeschüchtert werden. Was ich vor allem brauche, ist gute Laune.«
»Auf die Rituale kannst du getrost verzichten«, meinte Schürf, griff in seine Manteltasche, zog die löchrige Tasse heraus und hielt sie mir hin. »Und was willst du trinken?«
»Kamra zum Beispiel«, antwortete ich, goss meine Portion in seine löchrige Tasse und trank sie auf einen Zug leer.
»Na, was hast du gespürt?«, fragte er. »Bei löchrigen Tassen führt Kamra leider nicht zu den besten Resultaten.«
»Wirklich nicht? Ich habe das Gefühl, ich fliege gleich.«
»Das allein ist zu wenig. Man sollte die Kraft, die man durch das Trinken aus einer löchrigen Tasse gewinnt, dazu verwenden, wirklich etwas zu tun und sich nicht mit Illusionen abspeisen zu lassen. Bei passender Gelegenheit erzähle ich dir Näheres über den Orden der löchrigen Tasse, aber da Neugier zu deinen Stärken gehört, fragst du mich sicher bald danach. Doch jetzt müssen wir los. Es ist schon recht spät, und ich wohne in der Neustadt. Kannst du mich vielleicht nach Hause fahren? Du bist ja viel schneller als unsere Chauffeure.«
»Für dich mach ich das doch gern.«
»Vielen Dank. Meine Frau verbringt ihre Abende nämlich am liebsten in meiner Gesellschaft. Das finde ich erstaunlich, denn ich halte mich eigentlich für langweilig.«
»Ich verstehe deine Frau gut. Wenn man mit dir zusammen ist, glaubt man, es gebe keine Gefahren auf der Welt.«
»Du redest schon wieder seltsames Zeug«, brummte Lonely-Lokley finster. »Na schön. Lass uns fahren.«
Wir bezahlten bei dem sympathischen, auf grausam geschminkten Wirt und verließen das Lokal. Das orangefarbene Licht der Straßenlaternen vertrieb die Dunkelheit. Der Mond hatte in dieser Nacht keine Chance, seinen Anteil an der Beleuchtung zu übernehmen, denn der Himmel war voller Wolken.
Ich setzte mich ans Steuer meines A-Mobils, Schürf nahm neben mir Platz, und ich raste fröhlich los. Kann sein, dass Kamra nicht sehr geeignet ist, um aus löchrigen Tassen getrunken zu werden, aber die seltsame Leichtigkeit, die mich erfüllte, gefiel mir außerordentlich. Ich fühlte mich wie perlender Champagner, der schäumend aus dem Glas steigt.
»Hör mal, Schürf, ich hab noch eine Frage«, begann ich.
Die Frage fand ich eigentlich nicht so wichtig, doch ich hatte Lust, mit ihm zu plaudern.
»Es geht um unseren gemeinsamen Traum. Wie spürst du eigentlich die Anwesenheit des bedrohlichen Dritten, von dem du erzählt hast? Du hast ihn doch nie zu Gesicht bekommen.«
»Weißt du, Max, es fällt mir wirklich schwer, näher zu beschreiben, was in dem Traum geschieht, den wir miteinander teilen. Ich erinnere mich nur an den Strand und an das Gefühl der Bedrohung. Mehr weiß ich nicht.«
»Verstehe. Manchmal, wenn ich nachts aufwache, kann ich mich auch nicht an Einzelheiten meines Traums erinnern. Ich schließe dann die Augen und versuche einzudösen, also mich erneut an die Grenze von Traum und Wirklichkeit heranzutasten. Aber ich fürchte, in deinem Fall hilft diese Methode nicht mehr, denn sie funktioniert nur direkt nach dem Aufwachen.«
»Du willst unbedingt, dass ich mich an die Einzelheiten meines Traums erinnere, stimmt's?«
Schurfs gehässiger Unterton überraschte mich. Dabei war er schon den ganzen Abend recht gereizt gewesen - jedenfalls für seine Verhältnisse, für einen Menschen also, der an sich die Ruhe und Ausgeglichenheit in Person war. Im Übrigen musste ich mich auf die Straße konzentrieren,
denn ich jagte mit Höchstgeschwindigkeit durch die Gassen der Altstadt.
»Es würde uns weiterbringen, wenn es dir gelänge, dich an alle Details deines Strandtraums zu erinnern«, sagte ich lächelnd und wandte mich Schürf dabei unwillkürlich so weit zu, wie die Schicklichkeit und das Bedürfnis, die Kontrolle über den Wagen zu behalten, es erlaubten. Dabei bemerkte ich zu meiner Überraschung, dass er den linken Schutzhandschuh auszog und die tödliche Hand des Magisters Kiba Azoch zum Vorschein brachte, die in der Dunkelheit heller leuchtete als die
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