Das Echo Labyrinth 05 - Einfache Zauberdinge
hierherzukommen!«
»Ob du es glaubst oder nicht: Das war sehr leicht. Ich hatte wirklich Glück, denn dort, woher ich stamme, hatte ich nichts zu verlieren, gar nichts. Meine Lage dort war ziemlich schlimm, aber ideal für jemanden, der in eine andere Welt will. Du aber hast hier etwas zu verlieren. Deshalb verstehe ich deine Unentschiedenheit sehr gut.«
»Natürlich habe ich hier etwas zu verlieren«, pflichtete sie mir bei, überlegte kurz und schüttelte den Kopf. »Aber das war nur eine Illusion, Max. Selbstverständlich mag ich Echo und meine Arbeit, und ich kenne hier viele Leute, mit denen ich gern zu tun habe. Aber eigentlich spielt das keine Rolle. Als ich mich damals weigerte, mit Alotho nach Arwaroch zu gehen, ging es mir nicht so sehr um all das, was ich hier hätte aufgeben müssen: Die Vorsicht hieß mich abwarten - die panische Angst vor dem Unbekannten.«
»Kurusch würde sagen, die Angst vor dem Unbekannten sei für den Menschen typisch, und damit hätte er sicher Recht«, seufzte ich. »Diese Angst ist vielleicht das wichtigste Charakteristikum unserer Gattung.«
»Trotzdem sitze ich neben jemandem, der mutig genug war, die Welten zu wechseln«, sagte Melamori und rückte näher, als könnte ich das Heilmittel all ihrer Probleme sein. »Es kann also keine Rede davon sein, dass Angst für alle Menschen typisch ist. Und in meinem Fall handelt es sich bloß um eine Reise auf einen anderen Kontinent.«
»Das alles ist vermutlich viel einfacher, als du denkst«, sagte ich und versuchte, entschieden zu wirken. »Wenn du mit Alotho nach Arwaroch gehen willst, dann tust du das - und wenn nicht, dann bleibst du. Ist das nicht die Frage, um die es eigentlich geht?«
»Ach, Max, du bist lustig«, sagte Melamori und lächelte plötzlich. »Warum redest du bloß ständig von Alotho?«
Ich sah sie erstaunt an. »Immerhin hattest du eine Affäre mit ihm, die deine Familie und einige Mitarbeiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps erschüttert hat.«
»Es ist unwichtig, was ich mit ihm hatte, und in Zukunft wird ohnehin nicht viel zwischen uns passieren«, sagte sie und winkte ungeduldig ab. »Alotho ist ein seltsamer Kerl. Er hat mir den Kopf verdreht, und alles, was du gesagt hast, stimmt. Aber das war nur Leidenschaft, Max, und wir wissen doch, dass Leidenschaft allein nicht reicht. Du denkst doch wohl nicht, dass ich mich seinetwegen die ganze Zeit so quäle?«
»Verzeih«, sagte ich schuldbewusst, »aber bisher habe ich das tatsächlich gedacht. Dumm von mir, was?«
»Nicht unbedingt dumm - eher romantisch.«
Überrascht bemerkte ich, dass sich Melamoris Stimmung deutlich gebessert hatte.
»Ich wünschte, du hättest Recht«, fuhr sie fort. »Ich wünschte, es wäre die große Liebe mit gebrochenen Herzen und Happy-End. Tatsächlich aber habe ich ein ganz anderes Problem, dessen Tragweite ich erst erkannte, als ich mich weigerte, nach Arwaroch zu gehen. Zuerst hatte ich den Eindruck, vor mir läge eine wunderbare, romantische Reise, wie sie meinem Geschmack entspricht. Ich freute mich riesig und hätte beinahe zugesagt, schrak dann aber davor zurück und konnte nicht schlafen und kaum mehr atmen. Schon als ich zum ersten Mal in deinen seltsamen Träumen erschien, hätte ich mich eigentlich fragen sollen, wovor ich mich so sehr ängstigte. Aber damals hatte ich noch nicht gelernt, über die Konsequenzen meines Handelns nachzudenken.«
Sie trank ihr Glas leer, stellte es auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. Ihre Stimme klang nun so tief, als wäre meine Freundin in einer Höhle gefangen. Die wirkliche Melamori schien ein unbekanntes Wesen zu sein, mit dem ich bisher kaum zu tun gehabt hatte.
»Zweifellos regieren mich meine Ängste, und ich hänge am gewohnten Gang der Dinge. Daran stirbt man nicht. Menschen wie ich leben lange und glücklich, gründen Familien und ziehen Kinder groß, die am Ende genauso ängstliche Gewohnheitstiere sind wie sie. Und auch ich bin glücklich und durchaus zufrieden mit mir. Aber im Hinterkopf verspüre ich stets eine gewisse Verachtung mir selbst gegenüber. Meine Mutter hat oft gesagt, eine Lady aus guter Familie solle auch wie eine Lady aus guter Familie leben. Sie soll ein gutes Leben haben, Max, verstehst du? Und ich habe kein gutes Leben!«
Eigentlich hätte sie schon längst schluchzen müssen, aber sie schaute vor sich hin, und ihre Augen waren trocken.
»Hast du dich entschieden, all das mit mir zu besprechen, weil ich ein großer Fachmann bin,
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