Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Unterkiefer leicht verschoben. Der linke Arm lag am Körper, der rechte hing an der Lehne des Sofas herab. Auf dem Polster waren Blutspritzer zu sehen. Die Pistole lag auf dem Teppich. Durch den leicht verschobenen Unterkiefer vermutete ich zuerst, daß der Tod durch einen Schuß in den Mund eingetreten war. Später erfuhr ich von Otto Günsche, daß sich Hitler in die rechte Schläfe geschossen hatte. Neben ihm saß Eva Hitler in einem dunklen Kleid. Ihre Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Der Körperwies kein Zeichen gewaltsamer Einwirkung auf. Sie machte den Eindruck einer Schlafenden. Eva Hitler hatte sich vergiftet.
*
Der Kammerdiener
Heinz Linge 1913–1980
Berlin/Führerbunker
Auf dem Sofa saßen Adolf und Eva Hitler. Beide waren tot. Hitler hatte sich mit seiner 7,65 mm Pistole in die rechte Schläfe geschossen. Die 7,65 und seine 6,35 mm-Pistole, die er für den Fall, daß die größere Waffe versagen würde, in Reserve gehalten hatte, lagen neben seinen Füßen auf dem Boden. Sein Kopf war etwas zur Wand geneigt, das Blut auf den Teppich neben dem Sofa gespritzt. Rechts neben ihm saß seine Frau. Sie hatte ihre Beine auf das Sofa gezogen. Ihr verkrampftes Gesicht verriet ihre Todesart: Vergiftung durch Zyankali. Der «Biß» markierte sich in ihren Zügen. Die Schachtel, in der sich das Zyankali befunden hatte, lag auf dem Tisch.
Der SS-Sturmbannführer
Erich Kempka *1910
Berlin/Führerbunker
Dr. Stumpfegger und Linge trugen die in eine große dunkle Felddecke gehüllte Leiche Adolf Hitlers durch den Lagevorraum. Bis zur Nasenwurzel war das Gesicht des «Chefs» verdeckt. Unter seinen Haaren, die inzwischen stark ergraut waren, lag die Stirn im wächsernen Bleich des Todes. [...] Schnell bückte ich mich und legte Hitlers linken Arm enger an seinen Körper. Vor mir flatterten seine Haare zerzaust im Winde.
Der Oberwachtmeister
Hermann Karnau
Berlin/Führerbunker
Ich erhielt den Befehl von einem SS-Offizier, ich sollte meinen Dienstraum verlassen. [...] Ich habe das auch getan und bin so ins Casino gegangen. Nach einer halben Stunde kam ich wieder. Da war die Tür vom Führerbunker-Eingang verschlossen. Ich bin zurückgegangen und habe versucht, durch den Notausgang, der zum Garten der Reichskanzlei lag, reinzukommen. Als ich die Ecke zwischen Hochbunker – das war ein Postenstand – und dem eigentlichen Führerbunker erreichte, als ich in dieser Höhe war, sah ich plötzlich, wie ein Benzinlappen geworfen wurde. Vor mir lag Adolf Hitler auf dem Rücken und Eva Braun auf dem Bauch. Ich habe genau festgestellt, daß er es war. Ich bin zurückgegangen, habe meinen Kameraden Hilger Poppen verständigt, der mir aberkeinen Glauben schenkte. Nach einer halben Stunde war ich nochmals da. Ich konnte ihn nicht mehr erkennen, weil er schon ziemlich verbrannt war. Ich habe mit Erich Mansfeld, der zu dieser Zeit Posten auf dem Turm hatte, gesprochen, der mir auch bestätigte: hier – da liegt Adolf Hitler jetzt. Er brennt. Ich habe diese Stelle verlassen [...] und traf an der Treppe den Sturmbannführer Stedle, der mir bestätigte, daß der Chef hinter dem Haus im Garten der Reichskanzlei brennt. Gegen 8 Uhr war ich nochmals an dieser Stelle. [...] Ich sah, wie Hitler und Eva Braun bis jetzt so weit verbrannt waren, daß das markante Knochengestell noch zu sehen war. Ob in dieser Zeit von 18 bis 20 Uhr diese Reste nochmals übergossen wurden, weiß ich nicht, aber wie ich um 20 Uhr nochmals da war, flogen schon die einzelnen Flocken im Winde ...»
Der Adjutant
Otto Günsche 1917–2003
Berlin/Führerbunker
Feldwebel Tornow, Hitlers Hundewärter, war völlig betrunken, rannte im Bunker der Neuen Reichskanzlei herum und schrie: «Der Führer ist gestorben, rette sich, wer kann!»
Martin Bormann 1900–1945
Berlin/Führerbunker
Adolf Hitler [Rune]
Eva H [Rune]
*
Der Journalist Wiliam L. Shirer 1904–1993
San Francisco
Berlin ist am Ende – und Deutschland und der Nazismus! Der Krieg ist beinahe zu Ende. Doch hier in San Francisco erlebten wir heute, wie schwierig sich für die Siegernationen dieses Krieges, die so schreckliche Opfer gebracht haben, die Zusammenarbeit im Sinne des Friedens gestaltet. Zum ersten Mal zerbrach die Einigkeit der Großmächte, die den Hauptteil der Kämpfe des Krieges ausgetragen haben, in aller Öffentlichkeit. Und aus seltsamem Anlaß.
Die Vereinigten Staaten – deren verstorbener Präsident ebenso wie der frühere Außenminister stets eine äußerst
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