Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
verbrannt zu werden, an der ich den grössten Teil meiner täglichen Arbeit im Laufe eines zwölfjährigen Dienstes an meinem Volke geleistet habe.
Gegeben zu Berlin, den 29. April 1945, 4.00 Uhr.
Adolf Hitler
als Zeugen:
als Zeuge:
Martin Bormann
Nicolaus von Below
Dr. Goebbels
*
Der SS-Sturmbannführer
Erich Kempka *1910
Berlin/Führerbunker
Es war gegen Mittag des 30. April 1945. Ununterbrochen schlugen die Granaten der russischen Artillerie im Bereich der Reichskanzlei und des Regierungsviertels ein. Der Kampf nahm an Heftigkeit immer mehr zu. Donnernd und krachend stürzten Häuser zusammen. [...]
Der «Führer» verabschiedete sich von den noch anwesenden Personen. Jedem drückte er noch einmal die Hand und bedankte sich für die geleistete Arbeit und die ihm persönlich gehaltene Treue.
Die Sekretärinnen, Frau Junge und Frau Christian, sowie die Diätköchin wurden zum Mittagessen eingeladen. Neben Adolf Hitler saß seine Frau. Wie in seinen besten Tagen bemühte er sich, das Gespräch zwanglos zu führen und auf jeden einzelnen der Anwesenden einzugehen.
Als dieses letzte Mahl beendet war und die drei Damen sich bereits zurückgezogen hatten, rief der «Chef» sie durch seinen Adjutanten Günsche nochmals zu sich. Am Eingang zum Vorraum seines Zimmers standen er und seine Frau. Er verabschiedete sich nochmals von den drei Damen. Frau Hitler umarmte die langjährigen Mitarbeiterinnen ihres Mannes und gab jeder noch einmal zum Abschied die Hand.
Der Kammerdiener
Heinz Linge 1913–1980
Berlin/Führerbunker
Ich blickte auf den Mann, dem ich mehr als ein Jahrzehnt ergeben gedient hatte. Gebückt stand er da. Die Haarlocke fiel ihm – wie immer – in die fahl gewordene Stirn. Das Haar war grau. Aus müden Augen sah er mich an und deutete an, daß er sich nun zurückziehen werde. Es war 15.15 Uhr. Ich nahm Haltung an und meldete mich zum letzten Mal ab. Äußerlich gelassen und mit ruhiger Stimme, als würde er mich nur in den Garten schicken, um etwas zu holen, sagte er: «Linge, ich werde mich jetzt erschießen. Sie wissen, was Sie zu tun haben ...» – Ich machte meine Ehrbezeigung. Hitler kam zwei oder drei müde Schritte auf mich zu und gab mir die Hand. Zum letzten Male in seinem Leben hob er den rechten Arm zum «deutschen Gruß». Eine gespenstische Szene. Ich machte auf dem Absatz kehrt, schloß die Tür auf und lief zum Ausgang des Bunkers, wo das Begleitkommando herumsaß.
Der Adjutant
Otto Günsche 1917–2003
Berlin/Führerbunker
In Tränen aufgelöst und äußerst erregt, bat sie [Magda Goebbels] mich, sie ein letztes Mal zu Hitler zu lassen. Ich erklärte ihr, der Führer habesich bereits verabschiedet und wünsche nicht mehr gestört zu werden, aber ich wolle es noch einmal versuchen. Ich ging in den kleinen Vorraum und klopfte an die Tür des Wohnzimmers. Hitler kam mir entgegen – seine Frau war nicht zu sehen – und fragte mich barsch: «Was wollen Sie?»
«Kann Frau Goebbels Sie noch einmal sprechen?»
«Nein, ich will nicht mehr mit ihr reden.»
Doch im selben Augenblick hatte sie sich an mir vorbei in Hitlers Zimmer gedrängt. Sie beschwor ihn, Berlin zu verlassen; es sei doch immer noch möglich. Hitlers kategorisches «Nein» beendete das Gespräch; er war über diesen Zwischenfall sichtlich ungehalten. Etwa nach einer Minute hatte Magda Goebbels das Wohnzimmer wieder verlassen und zog sich weinend zurück.
Die Sekretärin
Traudl Junge 1920–2002
Berlin/Führerbunker
Plötzlich kracht ein Schuss, so laut, so nah, dass wir alle verstummen. Der Schall pflanzt sich fort durch alle Räume. «Aber das war ein Volltreffer», ruft Helmut und ahnt nicht, wie Recht er hat. Jetzt ist der Führer tot.
Artur Axmann 1913–1996
Berlin/Führerbunker
Wir sahen uns wortlos an. Dann fragte Dr. Goebbels: «War da nicht ein Schuß?» Bald darauf erschien Otto Günsche und meldete: «Der Führer ist tot.» Es war gegen 15.30 Uhr. Mit Goebbels und Bormann folgte ich Günsche in Hitlers Wohnraum. Wir blieben am Eingang stehen und erhoben den Arm. An der Wand uns gegenüber saß der tote Hitler in der rechten Ecke eines kleinen Sofas. Er trug Uniform, eine schwarze lange Hose und einen feldgrauen Rock mit dem goldenen Parteiabzeichen und dem EK I. Sein Oberkörper war nach rechts geneigt und sein Kopf etwas nach hinten gesunken. Gesicht und Stirn waren auffallend weiß. Von beiden Schläfen führte eine schmale Blutspur nach unten. Die Augenlider waren fast geschlossen, der
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