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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Wagen bei Tex O’Reilly von der «New York Herald Tribune» Platz, und wir fuhren die gleiche Straße wie am Morgen zurück, nur war sie jetzt für den Zivilverkehr geöffnet. Hunderte von «Displaced Persons» kamen uns langsam entgegen: viele zu Fuß, alle Arten von Gepäck schleppend, andere schoben Handkarren, hie und da gab es ein pferdebespanntes Vehikel, so mit Gepäck, Frauen und Kindern beladen, daß es fast zusammenkrachte. Es war ein jämmerlicher, trostloser Zug; einige der Leute trugen Fahnen – ich sah holländische, belgische, französische und italienische.
    Deutsche Zivilisten standen in langen Schlangen mit Eimern, Pfannen, Kannen, Kesseln und sonstigen wasserhaltenden Geräten vor Wasserpumpen. Sie machten nicht den Eindruck, als sei in ihnen noch ein Funken Kampfeswille geblieben.
    Russische Soldaten waren eifrig dabei, den russischen, britischen und amerikanischen Fahnen, die wir auf unserer Hinfahrt bemerkt hatten, noch französische Embleme hinzuzufügen; die Franzosen waren offensichtlich vergessen worden.
    Als wir wieder in der Villa zurück waren, hörten wir, daß die Unterzeichnung nochmals verschoben worden sei.
    Wir standen im Saal herum, alle wurden müde und matt. Wie froh war ich, daß General Ike nicht mitgekommen war, er wäre vor Ungeduld geplatzt.
    Ich kam mit einem amerikanischen Sergeanten ins Gespräch, der sich nach etwas Eßbarem umschaute, und brachte ihn in unsere Villa, wo die Russin ihm zu essen gab. Er war von der Funkerabteilung des SHAEF mit uns gekommen und sollte die Funkverbindung zwischen Berlin und Reims herstellen. Da wir keinen eigenen Sender hatten, mußte er einen russischen benutzen; wie er mir klagte, versuchte er aber seit Stunden vergebens, Verbindung mit Reims zu erhalten.
    Tedder und Bull, die Meldungen an Ike durchgeben wollten, drängten ihn; auch ich wollte an General Ike und an General Allen Nachrichten übermitteln. Es bestand aber die Hoffnung, daß die Verbindung nach Sonnenuntergang klappen würde.
    Die Russen hatten in großen Mengen Käse und deutsches Bier herangeschafft; das Bier machte aber dem so guten Ruf des deutschen Biers gar keine Ehre. Der Text der Ratifizierungsurkunde wurde eifrig mit den Russen diskutiert, Entwürfe wurden gemacht und wieder verworfen; Ikes Sekretärin, Feldweibelleutnant Nana Rae, die klugerweise ihre Maschine mitgebracht hatte, tippte eifrig. Russische Photographen tauchten an allen Ecken und Enden auf und nahmen pausenlos unsere Offiziere auf. Korrespondenten gingen ein und aus. Schukow war nicht anwesend; ein stämmiger russischer Kommissar, der nicht einen Moment seinen Hut abnahm, beteiligte sich lebhaft an den Diskussionen und ging zu Schukow in dessen Haus, wenn irgend eine Frage zu entscheiden war.
    Schließlich schien alles klar und die Briten, Russen, Franzosen und Amerikaner zufrieden zu sein, wir wanderten also in den Konferenzsaal. An einem Ende stand ein langer Tisch, drei ebenso lange waren im rechten Winkel davor gestellt – einer für die Korrespondenten, die beiden anderen für die Delegationsmitglieder. Unter der Galerie stand für die Deutschen ein kleiner Tisch, etwa zwei Meter lang.
    Am quergestellten Tisch nahm Schukow Platz, rechts von ihm Tedder, links Spaatz, neben diesem de Lattre de Tassigny; neben Tedder setzte sich dann der russische Kommissar in Zivilkleidung, der Vertreter der Partei (wie ich nachträglich erfuhr, heißt er Wyschinski). Im Hintergrund standen Batterien von Filmlampen. Wenn Beetle unser bescheidenes Arrangement als Hollywood bezeichnet hatte, so konnte man das hier sicher Super-Hollywood nennen. Die ursprüngliche Zahl von 50 russischen Photographen und Korrespondenten war inzwischen auf mindestens 100 angewachsen.
    Als wir Platz genommen hatten, surrten die Kameras, und Schukow, vor dem zwei Mikrophone standen, erhob sich; seine Brust war, ebenso wie die der meisten anwesenden russischen Offiziere, mit Orden bedeckt. Die russische Wache brachte die Deutschen. Keitel trat ein, arrogant und herausfordernd, schritt zu seinem Tisch, hob den Marschallstab zum Gruß und setzte sich. Stumpff, der rangälteste Offizier der Luftwaffe, den die Deutschen hatten auftreiben können, nahm rechts von ihm Platz, Friedeburg links. Der Admiral blickte finster drein, Keitel musterte den Raum, als stünde er auf dem Schlachtfeld – der Feldmarschallwar das verkörperte Preußentum, wovon ich schon soviel gehört hatte. Seine Haltung stand in scharfem Gegensatz zu der der deutschen

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