Das echte Log des Phileas Fogg
das Geschrei von Vögeln. Und der Parse sagt, daß man in der Nacht auch Leoparden und Tiger hören kann.«
»In der Hütte wird es still genug sein«, sagte Fogg. »Sie legen sich die Uhr dicht ans Ohr.«
»Selbstverständlich! Genau das hatte ich vor. Und falls das Signal kommt?«
»Dann werden wir antworten.«
»Diesem Schweinehund?!«
»Auf unsere Weise«, sagte Fogg. »Allerdings gibt es einen Weg, um dafür zu sorgen, daß es bestimmt kommt.«
»Dafür sorgen?« wiederholte Passepartout. Bleich war er schon zuvor gewesen; nun jedoch sah er aus wie ein Dämon aus einer hinduistischen Legende.
»Ich sehe keinen Grund dafür, mich zu wiederholen. Sobald die anderen schlafen, werden Sie die Uhr auf Transmission schalten.«
Passepartouts Augen drohten aus den Höhlen zu quellen. »Warum denn das? Wir würden sofort…«
»Ich bin noch nicht fertig. Sie werden es nur für einen Moment tun. Sie schalten ein, wieder aus und warten. Wird innerhalb von zehn Minuten kein anderes Gerät aktiviert, tun Sie es nochmals. Nur für eine halbe Sekunde. Sie versuchen es zwei Stunden lang, dann löse ich Sie ab.«
»Was haben Sie vor? Was sollen wir machen, wenn ein Signal kommt?«
»Alles ist vorbereitet«, versicherte Fogg. »Bemerken Sie ein Signal, wecken Sie mich unverzüglich.«
Der Gedanke, trotz seiner Müdigkeit wachliegen zu müssen, mißfiel Passepartout. Er mußte jedoch bald feststellen, daß er ohnehin nicht hätte schlafen können. Seine Muskeln fühlten sich an, als habe er den ganzen Tag lang Steine geschleppt, und an seinen Knochen, so schien es ihm, hatte sich jemand in der Absicht zu schaffen gemacht, sie in Korkenzieher zu verwandeln. Seine Nerven glichen gespannten Saiten, die jeder Laut wie mit Geisterhänden in Schwingungen versetzte. Das plötzliche verrückte Lachen von Vögeln, das Brüllen eines großen Tiers in der Ferne – ein Leopard? – und ein fernes Grollen – ein Tiger? – ließen ihn zusammenzucken und hochfahren, als habe sein Herr ihm in den Hintern getreten. Leises Rascheln und Kratzen im Strohdach der Hütte trugen auch nicht gerade zu seiner Entspannung bei. Und die Beunruhigung, mit der ihn seine Unkenntnis von Foggs Absichten erfüllte, wuchs allmählich zu einer Riesenlast an.
Er lauschte den regelmäßigen Atemzügen seines Herrn und wunderte sich, wie er so gesund und tief schlafen könne. Sir Francis stöhnte leise und wälzte sich häufig von einer Seite auf die andere; offenbar vermochte er nicht einzuschlafen. Was sollte werden, falls ein Signal kam, und der Brigadegeneral lag noch wach?
Nach einer Weile erhob sich der Franzose, weil er einfach nicht länger ruhig liegen konnte, und trat vor die Hütte. Der Mond verströmte hellen Glanz in die Nacht. Unter einem Baum sah er als dunkle Schatten, etwa 20 Meter abseits, den wuchtigen Rumpf Kiunis und den daneben winzig wirkenden Körper des Mahauts.
Ein lautes Knacken veranlaßte Passepartout zu einem Sprung nach rückwärts. Sein Herz begann schneller zu pochen. Schlichen die Thuggis durch das Buschwerk, ihre seidenen Bänder in den Fäusten, um die Fremden zu erdrosseln und der Göttin Kali ein unblutiges Opfer darzubringen? Trampelte ein wilder Elefant schlechtgelaunt heran? Würde gleich eine Herde gefährlicher wilder Büffel oder tobender Wildschweine aus dem Urwald stürmen?
Passepartout seufzte, und sein Herzschlag beruhigte sich.
Nein, es war Kiuni, der einen Ast vom Baum gerupft hatte, um damit seinen hungrigen Magen zu stopfen. Während er kaute, rumpelte es in seinem Bauch wie von einem fernen, aber gewaltigen Wasserfall.
Verne schreibt, Kiuni habe die ganze Nacht hindurch geschlafen; dabei vergaß er, daß das arme Vieh einen Tag lang marschiert war, ohne Futter zu bekommen. Kiuni brauchte Schlaf, aber Nahrung benötigte er dringender, da ein Elefant, um bei Kräften zu bleiben, am Tag mehrere 100 Kilogramm Futter verzehren muß. Kiuni hatte nach Beendigung des Tagesmarsches einige Stunden lang im Stehen geschlafen; nun war er infolge des Hungers aufgewacht und fraß sich voll, gleichgültig gegenüber der Geräuschentwicklung und der Ruhestörung, als die die Menschen sie empfinden mochten.
Trotz der Kälte der nächtlichen Bergluft schwitzte Passepartout stark. Mon dieu! dachte er. Was sollte werden, transmittierten sie mitten in den Palast des Radschahs? Ihre einzigen Waffen – jämmerlich genug – waren ihre beiden Klappmesser. Und würde der Radschah nicht auf sie vorbereitet sein? Würde der
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