Das echte Log des Phileas Fogg
Futter fortgeführt zu werden, aber er trompetete nicht. Er ging langsam, weil seine Augen im Mondschein Hindernisse nur schwer zu erkennen vermochten. Auch mußte er auf Unebenheiten des Geländes achten. Das Gewicht eines Elefanten ist so groß, daß schon ein Fehltritt um nur zehn Zentimeter ihm das Bein brechen kann.
Etwa eine Stunde später hatten sie eine Strecke zurückgelegt, die Fogg als ausreichende Entfernung vom Lager betrachtete. Passepartout kletterte herab; Fogg blieb auf dem Rücken des Elefanten.
»Aber werden Sir Francis und der Führer den Lärm nicht selbst über diese Entfernung hören?« erhob Passepartout zum Einwand.
»Vielleicht«, antwortete Fogg. »Allerdings liegen der Hügel und sehr viel Urwald dazwischen, die ihn dämpfen dürften. Im Zweifelsfalle werden sie wohl glauben, es sei die Glocke eines abgelegenen Tempels. Wie auch immer, sie können es nicht ändern. Wenn wir zurückkehren, erzählen wir, der Elefant sei ausgerissen und wir wären ihm gefolgt.«
Passepartout erbebte. »Wenn wir zurückkehren…!«
Falls, das hielt er für wesentlich realistischer als das vom Engländer gewählte Wort; dennoch bewunderte er dessen Zuversicht und hoffte, daß sie nicht unbegründet war.
Unterwegs hatte Passepartout noch dreimal die Uhr adjustiert und kurze Signale ausgestrahlt. Inzwischen empfingen sie das fremde Signal alle 20 Sekunden.
»Stellen Sie sie so ein, daß die Transmission in fünf Minuten erfolgt«, befahl Fogg. »Achten Sie darauf, daß das Feld groß genug ist, da es Kiuni einschließen muß. Und vergewissern Sie sich, daß das Gerät fünf Minuten nach Beendigung der Transmission automatisch auf Empfang umschaltet.«
Passepartout, dessen Zähne klapperten, öffnete den rückwärtigen Deckel der Uhr und tat wie geheißen, indem er drei winzige Schaltknöpfe einstellte. Er legte die Uhr in ein kleines Loch, das er mit seinem Messer ins Erdreich gegraben hatte. Das Gerät mußte sich unterhalb des Standorts jener Personen befinden, die teleportiert werden sollten. Außerdem würde das Loch verhindern, daß der Elefant zufällig einen Fuß auf die Uhr setzte, falls er sich bewegte. Passepartout hoffte jedoch, er möge stillstehen; sollte er sich in die eine oder andere Richtung zu weit aus dem Bereich des Distorterfelds entfernen, konnte es ihn und seine Reiter entzweireißen.
Passepartout erklomm wieder den Rücken des Elefanten und holte die Strickleiter ein, die er zusammengerollt auf den Boden eines der Körbe warf. Mr. Fogg saß bereits im Nacken Kiunis. Er hatte sich die Befehlswörter und die leichten Schläge und Tritte, mit denen der Mahaut das Tier zu lenken pflegte, sorgfältig gemerkt und verwendete sie nun, als sei er schon jahrelang in diesem Beruf tätig. Bis jetzt hatte das Tier ihm gehorcht. Würde es weiter gehorsam sein, wenn es sich plötzlich anderswo und umgeben von feindseligen Menschen vorfand?
Passepartout zählte insgeheim, da er nicht auf die Uhr schauen konnte, die Sekunden. Er hockte im Sattelzeug zwischen den beiden Personenkörben und hielt sein aufgeklapptes Messer in der Faust. Er fühlte sich auf dramatische Weise hilflos und fragte sich, wie wohl jene 960 Jahre Leben, die er nun zu verschleudern drauf und dran war, ausgesehen hätten. Ach, zu erleben, was das Jahr 2842 A. D. für ihn bereithielt! Oder bloß 1972! Sobald die Eridaner die Capellaner, dies Geschmeiß, vernichtet hatten, konnten sie die Welt verändern. Ob es länger als 100 Jahre dauern mochte? Würde die Erde ein Paradies sein, ein wahrhaftiges Utopia, in dem Kriege, Verbrechen, Armut, Krankheit und Haß für alle Zeiten ausgerottet waren? Warum sollte er sich um die Früchte seiner Arbeit berauben lassen, weil dieser Verrückte, hinter dem er nun auf einem Elefanten hockte, es so wünschte?
Doch will man eine Sache zum Sieg führen, muß man es, wie jemand – wahrscheinlich ein Engländer – einmal sagte, auch über die Leichen von Märtyrern tun. Es war sein Pech, daß er jetzt einer dieser Märtyrer werden durfte. Dennoch sollte sich niemand zum Märtyrer machen, wenn es der Sache nicht wirklich nutzte; und wie es schien, würde heute nacht niemand einen Nutzen haben, außer dem Radschah von Bundelkund.
Und doch, hatte Fogg nicht gesagt, daß es – für ihn – nichts Unvorhergesehenes gebe?
Aber wenn Fogg nun vorhergesehen hatte, daß sowohl der Radschah wie auch sie selbst den Tod finden würden?
Nein, Fogg war ein Gentleman und besaß ein gütiges Herz. Er
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