Das egoistische Gen
kann.
Dieser Umstand ergibt sich aus der Tatsache, daß einige Ameisenarten Sklaven halten. Die Arbeiterinnen einer solchen sklavenhaltenden Art leisten überhaupt keine gewöhnliche Arbeit, oder sie tun sie ziemlich schlecht. Gut sind sie dagegen in der Sklavenjagd. Richtige Kriege, in denen große Armeen sich gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen, gibt es, soviel man weiß, nur beim Menschen und bei den staatenbildenden Insekten. Bei vielen Ameisenarten besitzt die spezialisierte Arbeiterkaste der Soldaten fürchterliche für den Kampf spezialisierte Mundwerkzeuge, und sie widmet ihre Zeit ausschließlich dem Kampf gegen andere Ameisenarmeen. Sklavenjagden sind lediglich eine spezielle Art kriegerischer Betätigung. Die Sklavenhalter überfallen ein Nest einer anderen Ameisenart, versuchen die es verteidigenden Arbeiter oder Soldaten zu töten und tragen die noch nicht geschlüpfte Brut davon. Diese Jungen schlüpfen im Nest ihrer Entführer aus. Sie „merken“ nicht, daß sie Sklaven sind, und machen sich, ihren eingebauten Nervenprogrammen folgend, an die Arbeit. Sie erledigen alle Aufgaben, die sie normalerweise in ihrem eigenen Nest verrichten würden. Die Arbeiter oder Soldaten der Sklavenhalter gehen auf neue Sklavenexpeditionen, während die Sklaven zu Hause bleiben und die tagtäglich in einem Ameisenstaat anfallenden Arbeiten – Saubermachen, Auf-Futtersuche-Gehen und Brutpflege – erledigen.
Die Sklaven leben natürlich in seliger Unkenntnis der Tatsache, daß sie mit der Königin und der Brut, die sie hegen, nicht verwandt sind. Ohne es zu wissen, ziehen sie neue Aufgebote von Sklavenjägern groß. Zweifellos begünstigt die natürliche Auslese, die auf die Gene der Sklavenspezies wirkt, gegen die Sklaverei gerichtete Anpassungen. Doch sind diese offenbar nicht voll wirksam, denn die Sklaverei ist eine weit verbreitete Erscheinung. Für unsere gegenwärtigen Betrachtungen interessant ist die folgende Konsequenz der Sklaverei: Die Königin einer sklavenhaltenden Art ist in der Lage, das Geschlechterverhältnis in die von ihr „bevorzugte“ Richtung zu verschieben. Der Grund ist, daß ihre eigenen leiblichen Kinder, die Sklavenhalter, nicht mehr die praktische Gewalt in der Kinderstube innehaben. Diese Macht haben jetzt die Sklaven. Die Sklaven „glauben“, daß sie ihre eigenen Geschwister versorgen, und sie tun vermutlich alles, was in ihren eigenen Nestern geeignet wäre, das von ihnen gewünschte Verhältnis von 3:1 zugunsten der Schwestern zu erzielen. Aber die Königin der sklavenhaltenden Art kann diesmal wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen; es gibt auf Seiten der Sklaven keine Selektion, die dahingehend wirkt, diese Maßnahmen wirkungslos zu machen, da die Sklaven überhaupt nicht mit der Brut verwandt sind.
Nehmen wir zum Beispiel an, bei irgendeiner Ameisenart „versuchten“ die Königinnen, männliche Eier zu tarnen, indem sie sie wie weibliche Eier riechen ließen. Die natürliche Auslese wird normalerweise jede Tendenz der Arbeiterinnen fördern, die Tarnung zu „durchschauen“. Wir können uns einen evolutionären Krieg vorstellen, in dessen Verlauf die Königinnen ständig „den Code ändern“ und die Arbeiterinnen „den Code entschlüsseln“. Sieger in diesem Krieg wird derjenige sein, dem es gelingt, über die Körper der Geschlechtstiere einen größeren Teil seiner Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Dies werden, wie wir gesehen haben, gewöhnlich die Arbeiterinnen sein. Wenn jedoch die Königin einer sklavenhaltenden Art den Code verändert, können die Arbeiterinnen der Sklavenart keinerlei Fähigkeit entwickeln, ihn zu entschlüsseln. Denn jedes Gen für „das Entschlüsseln des Codes“, das in einer versklavten Arbeiterin vorhanden sein mag, fehlt im Körper der reproduktiven Individuen und wird daher nicht vererbt. Alle fortpflanzungsfähigen Individuen gehören der sklavenhaltenden Art an und sind mit der Königin, nicht aber mit den Sklaven verwandt. Wenn die Gene der Sklaven überhaupt den Weg in irgendwelche Geschlechtstiere finden, dann in diejenigen, die in ihrem eigenen Nest heranwachsen, aus welchem sie geraubt wurden. Wenn überhaupt, so sind die Sklavenarbeiter damit beschäftigt, den falschen Code zu entschlüsseln! Daher können die Königinnen einer sklavenhaltenden Art ihren Code ungestraft ändern, wie es ihnen gefällt; es besteht keinerlei Gefahr, daß Gene für seine Entschlüsselung an die nächste Generation vererbt
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